Trixi im Morgenland Folge 05: Das Turiseder Artefakt

Ein Gastbeitrag von Philipp Wohlwill (www.wortwohl.de)

Trixi schlug die Augen auf, war sofort hell wach und hüpfte aus dem Bett. Sie nahm schnell ein paar frische Jeans und einen Kapuzenpullover aus dem Schrank und zog sich in Windeseile an. Auf dem Weg nach draußen schlüpfte sie barfuß in ihre Sportschuhe und blieb kurz im Türrahmen stehen. „Heute ist es soweit,“ dachte sie, „meine erste echte Reise im Strom.“ Wie Rosie es ihr beigebracht hatte, legte sie das Kinn auf die Brust, ihre Handinnenflächen aneinander und die Hände vor das Gesicht. Dann atmete sie tief ein und richtete dabei ihre Wirbelsäule Wirbel für Wirbel auf, als sie am Schädelansatz angekommen war, waren ihre Lungen bis zum Bersten mit Luft gefüllt, ihr Kinn zeigte nach vorn, ihre Schultern waren entspannt und ihre Haltung aufrecht. Sie atmete langsam aus und ging dann Zähneputzen und in die Küche, um zu frühstücken.

Sie hatte keinen rechten Appetit, weil sie ziemlich aufgeregt war. Sie zwang sich aber dazu, eine Banane zu essen und packte ihren Rucksack sehr gewissenhaft mit Wasser und Erste-Hilfe-Kasten und allem was sonst noch zu einer Reiseausrüstung gehörte. Ihren Passanten trug sie mittlerweile als Anhänger um ein Armkettchen. Sie hatte zwar noch nicht heraus gefunden, wie man seine Form veränderte und alle sagten, dass ginge auch nicht. Sie wusste aber inzwischen, wie sie die Größe ihres neuen Begleiters verändern konnte. So war es kein Problem mehr, den Stein ständig bei sich zu tragen.

Noch bevor Trixi mit allem fertig war, klingelte es an der Tür. Natürlich war es Rosie. Sie hatte die Unart zu früh zu Verabredungen zu kommen und sich auch noch zu beschweren, wenn andere nur pünktlich kamen. Sie hatte dann ja schon gewartet. Rosie hasste zu spät kommen und Trixi das Warten, weshalb die Jugendliche dazu tendierte ein paar Minuten zu spät zu kommen, um das Warten zu umgehen. Es gab immer mal wieder Reibereien deshalb. Trotzdem verstanden sich die beiden inzwischen hervorragend. Sogar so gut, dass beide ab und an aufpassen mussten, ihre erwachsenen bzw. jugendlichen Geheimnisse nicht versehentlich auszuplaudern.

Rosie trug wie immer eine Art Dschungelausrüstung. Jede Tasche ihrer Cargohose beherbergte ein anderes wichtiges Utensil. Von feuerfesten Zündhölzern, über ein Taschenmesser, bis hin zu einem Stück Seife. Ähnlich sah es auch in ihrem Rucksack aus. Mit der durchdachten Ordnung von 40 Jahren Reiseerfahrung nutzte Rosie jeden Zentimeter ihres Gepäckstückes, ohne dass es zu schwer wurde. Trixi hatte schon viel mehr von Rosie gelernt als sie realisierte. Über Ordnung, darüber wie man sich über ein unbekanntes Thema informiert, und auch über Chemie und Physik hatte Trixi einiges gelernt als Rosie ihr gezeigt hatte, wie man Feuer macht und Flusswasser reinigt oder Tauwasser auffängt.

Gutgelaunt stand Rosie in der Tür. „Guten Morgen.“ zwitscherte sie. Sie war offensichtlich bester Laune. Genauso wie Trixi, die mit einem nicht minder freudigen „Guten Morgen.“ antwortete. „Alles fertig? Hast du was gegessen?“. „Bin dabei.“ sagte Trixi kauend. „Möchtest du noch einen Tee trinken?“ fragte sie ihren Gast höflich und Rosie sagte sofort „Nein, ich will los. Du nicht?“ Trixi steckte sich das letzte Stück Banane in den Mund, entsorgte die Schale, zog sich eine Jacke an und setzte sich den Rucksack auf. „Alles klar, ich bin bereit.“ Trixi stellte sich neben Rosie vor die Treppe. Sie musste lachen, als sie erst sich und dann ihre Lehrerin betrachtete. „Wie albern ist das bitte? Wie wir aussehen! Und jetzt gehen wir gleich einfach nur in mein Zimmer.“ Trixi begann wieder zu lachen. „Oiiih eine gefährliche Expedition ins Kinderzimmer“, raunte sie Rosie verschwörerisch zu, die grinsen musste. „Wirst ja sehen.“ entgegnete sie.

Sie standen noch eine Sekunde am Fuß der Treppe bis Rosie Trixi mit den Worten „Dein Zimmer“ zum Vorgehen aufforderte.

Trixi stapfte in ihr Zimmer, das inzwischen ganz aufgeräumt und restlos wiederhergestellt war. Sie öffnete die Tür, lies Rosie eintreten und beide suchten sich einen Sitzplatz. Rosie auf dem Schreibtischstuhl, Trixi auf dem Bett. Das Einklinken in den Strom war nur beim ersten Mal so wild und gefährlich.

Trixi nahm das Kettchen von ihrem Handgelenk. Sie legte die Spitzen von Daumen und Zeigefinger aneinander. Berührte mit den Spitzen der beiden Finger den Stein und zog die Finger dann auseinander, so dass der Abstand zwischen den Fingerkuppen immer größer wurde. Dabei strich der Daumen von der Mitte des Steins nach unten und der Zeigefinger nach oben. Der Stein wuchs auf Normalgröße an. Trixi hielt ihren Passanten in beiden Händen, er fing leicht an zu glimmen. Sie rief ihr Codewort „Maaamaaaa“.

Das Zimmer drehte sich, taumelte wie eine Nussschale auf einer Riesenwelle, rutschte tief hinab wie eine Achterbahn aus dem Universum und zitterte dann kurz und heftig, Trixi wurde auf ihrem Bett sitzend leicht hin und her geschüttelt, kein Vergleich zu der Todesfahrt während der Initialisierung des Zimmers. Schließlich begann das Zimmer seicht zu schaukeln. Sie waren im Strom angekommen. Trixi stand auf, hielt die Luft an und öffnete die Tür.

Ein wunderschöner warmer Sommertag empfing die beiden ungleichen Reisenden. Trixi drehte sich um und schloss die Tür, die in dem Moment einfach verschwand. Es war natürlich extrem wichtig, die Tür zu schließen, sonst bestand die Gefahr, dass etwas aus dem Strom ins Morgenland eindrang. So flexibel und mutig Morgenländer waren, auch sie hatten ihre Grenzen und wollten nicht, dass ihr Morgenland von einem Raubtier aus einer anderen Welt heimgesucht wurde. Nachdem sie sich einen Wegpunkt in ihrem Passanten gesetzt hatte, um die Tür wiederzufinden, verkleinerte Trixi den Passanten wieder und wandte sich ihrer Umgebung zu.

Vor ihnen erstreckte sich eine grüne Landschaft mit einem kleinen Wäldchen voll unglaublich hoch gewachsener Bäume. Das Gelände vor ihnen war nicht ganz so dicht bewachsen aber dennoch standen überall Bäume. Merkwürdig sortiert kam Trixi das Bild vor. Als ob die Bäume nach einem bestimmten Muster oder einem Plan angeordnet worden wären. Nach dem kleinen Wäldchen kam ein Gras bewachsener Abhang. Trixi und Rosie standen auf einem Hügel, der in Richtung eines Flusses, den man ebenfalls schon sehen konnte, abfiel. Links und rechts von ihnen gab es noch mehr Bäume. Auf der anderen Seite des Flusses erhob sich wieder ein Hügel und dahinter erstreckte sich ein weites Land, das von einem tiefblauen Himmel überspannt wurde. Trixi erkannte auf der anderen Flussseite auch eine Art Dorf, das mit dem Wald fast wie verwachsen schien und in dem ein geschäftiges Treiben herrschte. Das ließen jedenfalls die Geräusche, die der Wind bis zu ihnen herüber trieb, vermuten.

Plötzlich knackte es im Unterholz und aus der Richtung, in der der Wald dichter wurde, kam ein Tier auf sie zugerannt. Zunächst war Trixi sicher einen Hasens zu erkennen, doch als das Tier näher kam, traute sie ihren Augen nicht. Das Tier hatte zwar die Vorder- und Hinterläufe eines Hasen, war aber um ein vielfaches Größer und trug ein kleines Geweih, wie ein Reh und hatte auch die rotbräunliche Färbung eines Rehs. Es blieb einige Meter von Rosie entfernt stehen, schaute sie an und schnüffelte. Dann schaute es zurück in die Richtung, von wo es gekommen war und machte einen lustigen Laut, zwischen Fiepen und röhren. Es raschelte und ein zweites Wesen lief langsam auf sie zu. Kleiner als das erste, mit winzigen Rehbeinchen, einer Hasenschnauze und langen Schlappohren. Trixi war begeistert und lockte die Tiere mit einem Apfel an. Beide mochten offensichtlich Äpfel, nahmen das ihnen hingehaltene Futter zwischen die Zähne und liefen in Richtung des Flusses. Trixi stand erst kurz mit offenem Mund da und dann jubelte sie lauthals „Unglaublich! Whooohuuuu!“. „Hast du das gesehen?“, wendete sie sich an Rosie. „Hast du DAS gesehen?“. Rosie starrte kreidebleich und ungläubig den beiden Tieren hinterher. „Ich glaube das muss ein Rase gewesen sein und ein Heh“ scherzte Trixi, während sie zu ihrer Lehrerin ging, um zu schauen was mit ihr los war. Rosie blickte immer noch ausdruckslos in Richtung des Dorfes auf der anderen Flussseite und antwortete in ihrer typischen trockenen Art, allerdings ohne Trixi anzuschauen: „Das waren Turehser“.

Verdutzt schaute Trixi die ältere Dame an: „Wie jetzt, woher weist du das? Gibt es die öfter?“. „Nein, die gibt es nur und ausschließlich in Turisede. Ich kann es nicht glauben, aber du hast es tatsächlich geschafft, bei deiner ersten Reise in eine der wenigen Welten zu reisen, die dem Strom zwar angeschlossen sind, die aber fortbestehen, ihre eigenen Gesetze haben. Genauso wie das Morgenland.“ „Woher weißt du das?“ wunderte sich Trixi. „Ich war schon hier, genau genommen, sogar schon recht oft, nur jetzt schon seit langem nicht mehr. Komm mit, ich erzähle dir, wo wir gelandet sind.“ Rosie deutete auf das dorfartige Gebilde. „Dort müssen wir hin. Das dauert ungefähr eine Stunde.“ Die beiden machten sich auf den Weg und Rosie begann zu erzählen:

Es gab mal eine Zeit, in der waren die Götter gänzlich getrennt von den Menschen und obwohl, oder vielleicht weil, sie alles hatten und alles durften, war ihre einzige Beschäftigung, sich gegenseitig und allen anderen Geschöpfen ebenfalls das Leben zu erschweren. Es mit Herausforderungen, Enttäuschungen und Wut zu vergiften und sich wie im Theater anzuschauen was passierte. Jupiter war der größte darin und einer der wenigen, die es wirklich liebten. Sein Sohn Turius hingegen war ein Fürsprecher des Schönen und Wahrhaftigen. Freundschaft und Gemeinschaft waren die treibenden Kräfte seines Handelns. Und so wurde er zum Problem in dem Moment, in dem er aussprach, was er dachte.“ Trixi hatte gespannt zugehört aber nun legte Rosie eine zu lange Pause ein. „Und was war das?“ fragte sie. Rosie antwortete nicht. Stattdessen beobachtete sie gespannt das Dorf. Die beiden waren schnelle Wanderer und bereits fast am Fluss angekommen. Rosie kramte in ihrem Rucksack und holte ein Fernglas heraus. Trixi beobachtete sie ganz genau und folgte ihren Blicken, um herauszufinden, was sie so interessierte. Plötzlich hielt Rosie kurz inne und atmete tief, fast seufzend. Sie nahm das Fernglas von den Augen und verstaute es wieder im Rucksack.

Rosie?“ Trixi begann sich etwas Sorgen zu machen. Selten hatte sie Rosie so ernsthaft besorgt gesehen. Es war offensichtlich, dass sie all ihre Konzentration brauchte, um mit der scheinbar einfachen Situation klar zu kommen. Trixi lies nicht locker: „ROSIE, was ist?“. Endlich löste Rosie ihren Blick von dem Geschehen auf dem gegenüberliegenden Hügel und wandte sich wieder Trixi zu. „Okay, pass mal auf Trixi: Ich war schon recht oft hier, aber ich war damals sehr jung und damit du dich nicht wunderst, erzähle ich dir auch, dass ich damals sehr verliebt war und dachte, mir könnte alles gelingen. Das ist aber inzwischen über zwanzig Jahre her. Wundere dich einfach nicht, wenn die Begrüßung, naja, herzlich ausfällt.“ Dann lief sie weiter Richtung Dorf. Trixi lief hinterher.

Was hat er denn nun gesagt?“ kam sie auf das eigentliche Thema zurück. „Wer?“ fragte Rosie verwirrt. Jetzt wurde Trixi etwas mulmig, so zerstreut hatte sie die Frau, die sich langsam zu einem echten Vorbild für sie entwickelte, noch nie gesehen. „Dingens, dieser Gott oder Göttersohn. Turius.“. „Einen Moment.“. Rosie blieb stehen.

In ihr tobte ein Kampf. Sie wollte unbedingt ins Dorf, sie wollte unbedingt all die alten Freunde wieder sehen, aber sie wusste nicht, ob sie das in Begleitung von Trixi machen sollte. Sie konnte zurückkehren. Sie hatte den Ort seit dem Tag ihrer ersten Ankunft in ihrem Passanten gespeichert. Sie hatte sogar hier herausgefunden, dass ihr Passant dazu überhaupt in der Lage war. Es waren aber nicht nur schöne Erinnerungen, die in Rosie aufbrandeten, auch Scham war dabei, das Bewusstsein etwas nicht zu Ende gebracht zu haben. Außerdem merkte sie natürlich, dass sie Trixi nicht das Maß an Aufmerksamkeit schenken konnte, das nötig gewesen wäre. Sie musste jetzt eine Entscheidung treffen und dann keinerlei Zweifel mehr an dieser Entscheidung zulassen. Sie sah Trixi an und wusste plötzlich, was zu tun war. Auf ein mal war glasklar, dass es sich hier nicht um einen Zufall handeln konnte. Sie dachte an den armen Travis, schob die Scham beiseite und nahm all ihren Mut zusammen. Die Entscheidung war gefällt. Sie würden die Reise nicht abbrechen. Sie wendete sich wieder Trixi zu. Die sah sofort die Veränderung in ihrer großen Freundin. Alles Zögern war verschwunden und die alte Zielstrebigkeit war zurück. Rosies Augen hatten ihr schelmisches, etwas angriffslustiges Glänzen zurück, dass Trixi so mochte.

TURIUS“ sagte Rosie laut und begann wieder zu erzählen. „Turius sprach aus, was er dachte, indem er sagte, dass für den ewigen Frieden zwischen allen Geschöpfen nur ein Recht und eine Pflicht zu beachten seien: Das einzige Recht lautete: ‚Tu, was du willst!‘. Die einzige Pflicht lautete: ‚Nimm Rücksicht auf deinen Nachbarn!‘. Turius war von seinen Ideen so überzeugt, dass er ihnen nicht abschwor, selbst als er aus seiner Heimat, dem Pantheon verstoßen wurde. Diese Zeiten waren übrigens auch jene, in denen Diotima noch unter den Göttern weilte und als eine von ihnen viel Zwietracht säte indem sie Menschen Liebe gab, nur um sie gefügig zu machen. Damals ließ sie Männer nach ihrer Pfeife tanzen, wie es ihr gefiel.“ Trixi war erstaunt „Also ist sie tatsächlich real und kein Hologram.“ Rosie hatte kurz vergessen, mit wem sie hier sprach und war auf die Nachfrage nicht gefasst gewesen, es passte aber sehr zur Situation, also erklärte sie so gut sie konnte: „Nein, Diotima ist kein Hologramm. Sie ist allerdings auch kein Gott mehr und sie ist auch kein Mensch. Ich kann dir auch nicht genau sagen, was mit ihr passiert ist. Als die Menschen angefangen haben den Himmel mit ihren Maschinen zu erobern, da mussten die Götter flüchten und viele flüchteten unter die Erde, andere lösten sich fast gänzlich auf und existieren quasi nur noch im Strom.“

Wie kann sich denn ein Gott auflösen?“ fragte Trixi, „ Naja, er wird sich nicht einfach in Luft auflösen, aber er kann alles verlieren, was ihn zum Gott gemacht hat und danach alles, was ihn zum Lebewesen gemacht hat.“ „Und was ist das?“. „Seine Seele, meine Trixi. Jedes Lebewesen hat eine und deshalb sind in sich auch alle Lebewesen gleich.“ Rosie sah, dass Trixi damit etwas überfordert war und kam schnell zum Thema zurück. „Jedenfalls in der Zeit, in der Diotima begann über die Veränderungen und den Verlust ihrer Macht, ihre Seele zu verlieren, in dieser Zeit endete die Herrschaft der Götter. Das Morgenland existierte da schon lange. Die Menschen der Normwelt begannen sich ihre eigenen Regeln zu schaffen. So auch die Elfen, die Zwerge, Waldgeister, Nymphen, Feen und all die anderen Seelen.“

Und wo sind alle hin?“ „Das weiß ich auch nicht genau, aber viele von ihnen gingen zu Turius, der bis dahin alleine in einem dichten Wald nah eines Flusses, der zwischen zwei Tälern liegt, gewohnt hatte. Im Einklang mit der Natur und in Verbindung mit dem, was alles existieren lässt, dem, was wir alten Morgenländler die Weltenseele nennen. In der Weltenseele ist alles auf einmal, dort findet alles sein Ende und seinen Ursprung, dort entspringt auch der Strom und von dort, das glaube ich, kommen alle Seelen. Ob Fee, Oger oder Mensch.“

Dieses Tal mit dem Fluss ist jetzt nicht hier oder?“ unterbrach Trixi die Erzählung neugierig. Rosie fuhr mit einem Lächeln auf dem Gesicht fort. „Der Ort wurde bekannt als Sedes Turium, die Heimstatt des Turius und die Welt seiner beiden Regeln. Es kamen immer mehr Feen und Elfen und Menschen und es gab immer mehr Geschichten über den Ort, der bald überall nur noch TuriSede genannt wurde und der ein Sammelbecken für all die wurde, die sich nicht an die Regeln ihres Clans, ihrer Familie oder der Regierung ihres Landes halten wollten. Alle Aussteiger und Freigeister, alle Freiheitsliebenden sammelten sich hier und bildeten im Einklang mit der Natur und der Weltenseele eine ganz eigene Welt, die Dank des göttlichen Funken, der in ihr wohnt, für uns über den Strom erreichbar ist. Obwohl sie eigentlich Teil der Normwelt ist. Also physisch gesehen, denn ihre einzigartige Existenz wird nicht von allen Normweltlern gleich stark geschätzt.“

Es ist tatsächlich hier oder?.“ Die beiden kamen gerade an eine Brücke. Sie war ganz aus Holz und sah sehr stabil aus. Links und rechts daneben stand jeweils ein Baustamm, in den ein Gesicht geschnitzt war. „Unheimlich“ befand Trixi. „Die Bäume sehen fast wie lebendige Trolle aus.“. „Das sind Wurzel-Lümmler.“ erklärte Rosie. „Die halten uns nicht auf, weil sie mich kennen und weil du noch nicht ganz Erwachsen bist. In dieser Welt sind die Kinder diejenigen, die den Ton angeben. Nach ihrem Gusto wird hier gelebt. Diese Brücke wird jedes Kind immer passieren dürfen und jedes Kind wird hier immer einen sicheren Hafen finden.“ stellte Rosie mit fester Stimme und stolzem Tonfall fest. Sie kamen am anderen Ufer an und Trixi ließ nicht locker. „Ist das hier TuriSede?“ fragte sie etwas nachdrücklicher als zuvor. Rosie antwortet wieder nicht direkt, stattdessen sagte sie „Hol dein Fernglas raus.“ Trixi tat wie ihr geheißen und Rosie zeigte auf eine kleine Baumgruppe, die in ähnlicher Art angeordnet war, wie die, in der sie gelandet waren. Schau in die Gabelungen und in die Kronen der Bäume.“

Trixi setzte das Fernglas an und stellte den Fokus auf die Baumgruppe scharf. Sie hatte ein tolles Fernglas von ihren Eltern zu ihrer Gogyo-Ki bekommen und konnte noch weiter ran zoomen. Als sie sah, was Rosie ihr zeigen wollte, stockte ihr der Atem. Das Fernglas noch an den Augen schrie sie begeistert: „Häuser! Ich sehe Häuser! IN DEN BÄUMEN! In den Kronen und den Gabeln in allen Formen und Farben sind Häuser in den Bäumen. Wie bauen sie die dort rein?“ fragte Trixi ohne den Blick von den Baumhäusern abzuwenden. „Gar nicht“ sagte Rosie und wies auf eine weitere Ansammlung von Bäumen. Wieder traute Trixi ihren Augen nicht. Es waren kleinere Bäume und winzig kleine Häuser in den Bäumen. Endlich nahm sie das Fernglas von den Augen und starrte Rosie mit einem überwältigend leeren Blick an. „Ne. Oder?“ war alles, was sie heraus bekam. „Doch“, erwiderte Rosie schmunzelnd. „TuriSede ist das Land in dem die Häuser auf den Bäumen wachsen. Von frühester Jugend an pflegen hier die Kinder ihre Bäume und damit ihre Häuser und wenn sie Erwachsen werden, dann können sie entscheiden, wo ihr Baum stehen soll. Ein, zwei Mal im Leben können diese Bäume ihre Wurzeln neu in den Boden graben.“

Wie kann das sein?“ ungläubig sah Trixi wieder durch ihr Fernglas. „Ich weiß es auch nicht so ganz genau, aber die Wesen hier leben so im Einklang mit sich selbst und ihrer Umgebung und der Weltenseele, dass die Natur hier tatsächlich für fast alles sorgt. Sogar für die Häuser.“

Trixi verstaute ihr Fernglas wieder im Rucksack und begann schnellen Schrittes auf das Dorf zu zumarschieren. Da sie voran lief, sah sie nicht wie sich in Rosies Augen zwei kleine Freudentränen sammelten und erleichternd ihre seelig lächelnden Wangen herunter liefen. Das Dorf lag noch in einiger Entfernung, da hörten sie eine schrille Stimme schreien. „Rooooosiiieee ist wieder da. Unsere Rooossiieee.“ Ein kleines Geschöpf kam in atemberaubender Geschwindigkeit auf sie zugerast, sprang fast drei Meter vor Rosie entfernt in die Luft und flog doch so weit, dass er in ihren Armen landete. Was auch immer es war, besaß die Gestalt eines Kindes, jedoch mit besonders großen und spitzen Ohren und einem kleinen Geweih in den Haaren. Es knuddelte und kuschelte Rosie so ungestüm, das die anfing rückwärts zu taumeln und schließlich auf dem Hintern im warmen weichen Gras landete. „Jankobol!“ versuchte Rosie zu tadeln, aber es war nur ungetrübte Freude in ihrer Stimme zu hören. Das Ding sprang auf und zischte mit schnellen schritten zu Trixi, die einen kleinen Sicherheitsabstand genommen hatte. Er ergriff ihre Hand und sagte „Hallo ich bin Jankobol, der Waldgeist von TuriSede“. „Einer der Waldgeister“ korrigierte Rosie und Trixi schüttelte die kleine Hand, die ihre ergriffen hatte und sagte „Ich bin Trixi“. Jankobol sagte: „Okay ich bin Jankobol,“ schaute zu Rosie und korrigierte: „Der wichtigste Waldgeist in TuriSede“. Dann sauste Jankobol in Richtung Dorf und schrie mit seiner lauten, aber piepsigen Stimme: „Rosie ist wieder da, Rosie ist wieder da, eine alte Rosie ist da und sie hatte eine junge Trixi mitgebracht.“

Ein Rumoren und Jubeln entstand im Dorf. Fragend und mit großen Augen sah Trixi Rosie an und die schaute zurück, zuckte mit den Achseln und freute sich sichtlich.

Beide lächelten während sie den kleinen Hügel Richtung Dorf hinauf gingen. Vor den ersten Gebäuden sammelte sich langsam eine neugierige bunte Meute von Wesen aller Farben und Formen. Es gab Tiere des Waldes wie in der Normwelt, aber auch verrückte Tiere, wie die Turehser. Es gab Elfen, Feen, Zwerge, Oger und noch vieles mehr. Aus der Menge lösten sich zwei Menschen. Ein Mann mit grauen langen Haaren und einem beeindruckenden grauen Schnurrbart schritt gemächlich auf die beiden zu. Neben ihm ging eine schöne, etwas jüngere Frau, die an einer Kordel um ihre Hüften einige Beutel mit Kräutern und eine kleine Sichel trug. Ihr rotes Haar lugte frech unter einem Kopftuch hervor, das ebenfalls rot war und weiße Punkte hatte und die Frau von weitem ein klein wenig wie einen Fliegenpilz aussehen ließ. Zunächst näherten sie sich noch mit herrschaftlicher Eleganz, aber als Rosie begann auf die gleiche Art auf sie zu zu stolzieren lachten alle und rannten los und fielen sich alle drei gleichzeitig in die Arme. Rosie war den Tränen nah als sie sagte: „Bergamo, Babadoro. Herr und Hexe vom heimlichen Land.“ Wie aus einer Kehle antworteten die beiden „Rosie Rätsel, das mystische Mirakel des Morgenlandes. Herzlich Willkommen zurück!“

Daraufhin kamen all die Gestalten, die am Dorfrand gewartet hatten, auf sie zu und es gab ein buntes Hallo, voller Umarmungen und Herzungen und alle wollte sich Trixi zuerst vorstellen und alle versicherten ihr, dass Freunde von Rosie in TuriSede immer willkommen seien.

Hallo, ich bin Modelpfutz und das ist der hungrige Bodelmutz“, stellte gerade ein weiterer Waldgeist sich und seinen besten Freund vor, als aus der Ferne eine geradezu Donner gleiche Stimme ertönte, die Rosies Namen rief, als wäre es das stärkste Zauberwort aller Universen. Alle traten etwas zur Seite. Es bildete sich eine Gasse, an dessen Ende Rosie stand und am Dorfrand erschien eine beeindruckend runde Figur, der mit etwas Abstand zwei schwer atmende weitere Menschen folgten. Trixi hörte wie Rosie leise seufzend zu sich selbst sagte: „Mein Alfi“. Die Szene kam ihr so unreal vor, ihr Gehirn war mit der Situation so überfordert, dass es sich kurz ausklinkte. Trixi stand einfach nur reglos mit offenem Mund da und betrachtete das Schauspiel, wie das Publikum ein Theaterstück: hochgespannt in freiwilliger Tatenlosigkeit.

Rosie und der dicke Mann mit dem blonden Bart, der bis zum Boden reichte, umarmten sich innig und lange und schienen sich überhaupt nicht mehr loslassen zu wollen. Daraufhin brach in dem ganzen Empfangskomitee ein Kuscheln und Umarmen, Streicheln und Liebkosen aus, das Trixi noch nicht erlebt hatte. Sie spürte die Hitze wieder in sich aufsteigen, die sie gespürt hatte, während sie ihren Passanten entschlüsselt hatte. Unwillkürlich musste sie an den erwachsenen Aram denken, den sie in ihrem Traum gesehen hatte, und Diotima, die ihr sagte, das sei nicht Aram. Trixi schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf die Szene, die sich ihr bot. Sie stellte sich in Rosies Blickfeld, die bei Trixis Anblick von Wolke sieben wieder in die Realität geholt wurde. Rosie löste sich aus der Umarmung, wurde aber noch kurz von Alfi zurück gehalten, der ihr etwas ins Ohr flüsterte. Trixi trat näher und lauschte, hörte aber nur noch den letzten Satz: „Wenn ich es dir doch sage, es hat seine Form verändert.“

Rosie wandte sich nun wieder ganz Trixi zu und sagte: „Ich werde dir mal alles zeigen“. Dann nahm sie ihre Schülerin fest an der Hand und ging weiter Richtung Dorf. Sie betraten das Dorf durch ein Tor, das von zwei weiteren Wurzel-Lümmlern bewacht wurde. Links und rechts waren Baumhäuser zu sehen und es gab immer wieder kleine runde Eingänge in unterirdische Tunnel. Aus einigen fiel Licht. „Wohnt da jemand?“ wollte Trixi wissen. „Ja klar. Die Bewohner von TuriSede leben unter, auf und über der Erde, aber alle im Einklang mit ihr.“ Sie gingen weiter und es fing an herrlich zu duften. „Hier riecht es gut,“ sagte Trixi, ich hab Hunger.“ Ihr Blick schweifte nach links. Dort spielten Kinder auf den Dächern von mehreren Häusern verstecken. Die Hausdächer waren über Brücken miteinander verbunden und boten eine schier unerschöpfliche Menge an Verstecken. „Was ist das?“ wollte Trixi wieder wissen. „Das ist das Überdachum, das geht auch noch da rechts rüber, siehst du. Bis zum Krönum, das ist die Festhalle. Normweltler können in ihr durch die Zeit reisen, aber nur wenige trauen sich.“ Rosie war offensichtlich abgelenkt, denn ihr Finger zeigte zwar auf die Dächer rechts von ihnen, aber ihr Blick suchte offensichtlich etwas, das tiefer im Dorf versteckt war.

Vor ihnen schwang eine Tür auf und eine Wolke himmlischer Düfte ergoss sich daraus in die warme Sommerluft. An Trixi und Rosie drängten Dorfbewohner vorbei und gingen in die Tür über der Trixi den Schriftzug „Baumstammlokal“ lesen konnte. Auch die beiden Waldgeister kamen an den Gästen vorbei und Trixi hörte wie Bodelmutz gerade zu seinem Freund sagte „Is schon richtig Modelpfutz, aber essen mußte.“ Hinter den beiden kamen Thor Alfson, den Rosie Alfi nannte und offensichtlich von früher kannte und seine Begleiter den Hügel hinauf. Rosie sprach sie an: „Hallo! Olve und Judka, könntet ihr mit Trixi etwas essen gehen? Vielleicht könnt ihr sie auch ein bisschen herum führen. Zeigt ihr doch noch das Krönum und wenn ihr gegessen habt vielleicht das Faulenzum.“ bat sie die beiden freundlich drein schauenden Trolle. So sehr Trixi sich gewünscht hatte in ihren Reisen frei zu sein, jetzt wurde ihr doch etwas mulmig zu mute, als Rosie sagte: „Pass auf Trixi, dir kann hier nichts passieren. Geh etwas essen, halte dich an Olve und Judka und ich finde dich in ein paar Stunden wieder.“ „Ein paar Stunden?“ dachte Trixi, doch da ging Rosie schon. Sie schaute noch mal zurück und winkte kurz, dann verschwand sie mit Thor Alfson in einem der unterirdischen Gänge. Händchenhaltend. Trixi fand das nicht nur echt ekelhaft, sondern auch etwas gemein. Dennoch würde sie sich dieses unfassbare Erlebnis nicht davon vermiesen lassen, dass sie es sich irgendwie anders vorgestellt hatte mit Rosie auf Reisen zu gehen.

Sie sammelte sich und machte zu dem Zweck noch einmal die Atemübung, die ihr so gut tat. „Ah, der tiefe Seelenzug.“ sagte Judka anerkennend. „Du kennst die Übung?“ wunderte sich Trixi. „Selbstverständlich“, klärte Judka sie auf. Wir Trolle haben wilde Seelen, den Atemzug aus der ruhigen Mitte der Seele bringen uns schon unsere Eltern bei. Dann widmeten sie sich gemeinsam den Gaumenfreuden von TuriSede. Es gab Turiuslocken, die, wie Trixi glaubte, aus Kartoffeln gemacht wurden. Olves Gackerstangen waren superlecker und zum Schluß probierte Trixi noch den benebelten Schweinerücken von Olve. Alles schmeckte so lecker, dass Trixi aus dem Lokal heraus rollte nachdem sie wirklich überhaupt kein bisschen mehr essen konnte.

Währenddessen zog sich Rosie keines Falles zurück, um ihr Wiedersehen mit Thor Alfson, dem Anführer der Trolle zu feiern, sondern weil sie etwas hier gelassen hatte, als sie das letzte Mal hier gewesen war. Da Trolle immer noch sehr gerne unter der Erde lebten, auch wenn einige von ihnen inzwischen Oberflächenbewohner geworden waren, kannte Alfi das unterirdische TuriSede wie seine Westentasche. Es gab einen Gang der besonders lang war und unter dem Fluss hindurch führte, bis unter ein Lichtung, die Turiuswinkel genannt wurde. Hier gab es noch weniger Häuser und es kamen meist Eltern und Kinder, um die Landschaft zu genießen, im Fluss zu schwimmen und im geheimen Versteckum oder dem Waldspielplatz zu spielen, obwohl eigentlich ganz TuriSede wie ein Spielplatz aussah, denn, wie gesagt, dies war eine Welt, in der die Kinder den Ton angaben.

Der besonders lange Gang endete in einer kleinen Höhle, in deren Mitte ein großer Stein lag. Es war nur selten jemand hier. In dieser Höhle hatten Alfi und Rosie vor inzwischen fast dreißig Jahren etwas vor aller Augen versteckt. Thor Alfson blies das Feuer aus, das in der Mitte des Steines in einer kleinen Kuhle brannte. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen den Stein, bis der anfing sich zu bewegen, mit einem tiefen Grollen aktivierte Thor die letzten Kräfte und schaffte es, den Stein auf die Seite zu rollen. Er war an der Unterseite flach und sah sonst etwas aus wie ein Hut. Abgesehen davon, dass ihm die weißen Adern fehlten, sah er aus wie eine große Kopie von Trixis Passanten.

Darüber war Rosie sich schon bewusst gewesen, als sie Trixis Passanten zum ersten Mal gesehen hatte und ihr war sofort klar gewesen, dass es sich nicht um einen Zufall handeln konnte. Dass Trixi sie aber so schnell auf ihre alten Pfade führen würde, damit hatte Rosie nicht gerechnet. Rosie setzte ihren Rucksack ab, begann Dinge heraus zu kramen und hantierte mit ihrem Passanten während Thor Alfson erzählte. „ Seit einigen Wochen ist hier irgendwas im Gange. Wir lieben uns ja alle sehr, aber in letzter Zeit wird das Kuschelbedürfnis der TuriSeder selbst mir unheimlich. Es sind auch ganz komische neue Beziehungen entstanden und Ehen und Partnerschaften, die ich nie für möglich gehalten hätte. Am Anfang war das ja alles ganz toll, aber inzwischen führt diese abhängige, diese extreme, diese besitzergreifende Verliebtheit der TuriSeder untereinander zu immer mehr Unmut und Neid und Missgunst.“ „Seit 26 Tagen.“ kommentierte Rosie ohne aufzuschauen. „Was seit 26 Tagen?“ erkundigte sich Thor stirnrunzelnd. „Seit 26 Tagen ist das hier wahrscheinlich so. Vor 26 Tagen hatte Trixi ihre Gogyo-Ki. Du hast gesagt, er hat sich verändert, woher weist du das? Er ist doch in dem Stein verborgen“. Verlegen schaute Alfi auf seine Zehenspitzen. „Naja, ich weiß es nicht so wie du wissen meinst. Ich habe es geträumt, aber ich schwöre dir, er hat seine Form verändert und so oder so, er muss jetzt hier weg.“ Thor wurde etwas ärgerlich.

Rosie war fertig und steckte ihren Passanten in eine Öffnung am Felsen, der sog den Passanten förmlich auf und stellte sich von alleine wieder auf seine flachste Seite, dann öffnete sich die Oberseite des Steines wie eine Lotusblüte und darin befand sich ein perfektes, aus Stein geformtes Bildnis von Diotima. „Tatsächlich!“ sagte Rosie und wollte den Stein an sich nehmen, der einmal ausgesehen hatte wie der Morgenfelsen. „Das ist das erste Mal, dass ein Original seine Form verändert“ sagte Rosie ehrfurchtsvoll und griff nach dem Artefakt. Es gab einen Schlag und Rosie wurde einige Meter durch die Höhle geschleudert. Wie Trixi bei ihrer Gogyo-Ki. Rosie stand auf. Ratlos schauten sich Thor Alfons und Rosie an. Sie wussten nicht weiter, genau wie vor den vielen Jahren als sie den Stein versteckt hatten, standen sie in der Höhle und wussten nicht weiter.

Trixi hatte währenddessen die Gesellschaft von Olve und ganz besonders die von Judka genossen. Judka war ein aufgewecktes Trollmädchen, das gerne die Führung übernahm und einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit hatte. Schon nach kurzer Zeit hatten sich Trixi und sie super verstanden und inzwischen hatte Olve sich abgesondert, um Fiona, einer Lichtfee nachzustellen, in die er sich seit einigen Tagen unsterblich verliebt hatte.

Die beiden Mädchen befanden sich noch immer auf Entdeckungstour durch TuriSede und nachdem Trixi viele Baumhäuser gesehen und auf einer Unmenge Dächern herumgeklettert war, hatte sie ihre neue Freundin nach den Geheimnissen dieser wundersamen Welt gefragt. Judka hatte umgehend damit begonnen ihr das unterirdische TuriSede zu zeigen. Mit Trixis Passanten als Taschenlampe waren sie gerade auf dem Weg zum Faulenzum als er begann herum zu spinnen. Er leuchtete nicht mehr in die Richtung, in die sie gingen. Er schien seinen eigenen Willen entwickelt zu haben und leuchtete beständig nur in eine Richtung. Die beiden blieben in einer kleinen Höhle, von der Gänge in jede Richtung abgingen, stehen und Trixi machte ihren Passanten einmal aus, wollte ihn gerade wieder auf die Handfläche legen, sodass er wieder anfing zu leuchten, da entfuhr ihm mit einem dunklen Ploppen einer der Lichtbälle, die Trixi sonst mit der linken Hand formen konnte und schwebte einen der Gänge entlang. Die beiden Mädchen schauten sich an und folgten dem Lichtball ohne zu zögern.

Jedes mal, wenn der Ball verglimmt war, schoss aus dem Passanten ein neuer Ball, der die beiden Abenteurerinnen immer weiter und immer tiefer durch das Labyrinth von Gängen, Höhlen und Abzweigungen führte.

Nach über einer halben Stunde und unzähligen Richtungswechseln schlüpfte der Ball wieder in den Passanten und der Passant erlosch. Am Ende des Ganges schien ein schwacher Lichtschein aus einer kleinen Höhle. „Das ist das Ende.“ flüsterte Judka. „Welches Ende?“ wisperte Trixi aufgeregt zurück. „Das Ende vom unterirdischen TuriSede, wir sind unter dem…“. „Pscht“, unterbrach Trixi Judkas Erklärung, „Ich höre was.“ Tatsächlich, aus der Höhle vor ihnen drangen leise Stimmen. „ Das ist Rosie“, flüsterte Trixi, „Und unser Anführer Thor Alfson“, ergänzte Judka.

So langsam und so leise sie konnten schlichen sie näher, bis sie die Unterhaltung verstehen konnten. „Das kann nicht so bleiben.“ sagte Thor gerade. „Bald wird die ganze Insel im Liebeswahn versinken und wir werden Neid und Missgunst gesät haben, statt Liebe zu ermöglichen“. „Das Artefakt muss weg“ stimmte Rosie zu. „Aber wie, wenn wir nicht heran kommen?“ Im Flur hörten die beiden Mädchen gespannt zu. Trixi merkte nicht, dass ihr Passant begonnen hatte ein schwaches rot-pulsierendes Licht abzugeben. „Da.“ rief Thor „Da, da, da passiert was“. „Ja“, bestätigte Rosie, „das Licht wird langsam Rot“. „Nein es wird weiß.“ berichtigte Thor. „Woher kommt das rote Licht?“ Die Mädchen erschraken und merkten nun beide, dass es aus Trixis Passanten kam. Sie schauten sich an, aber es war schon zu spät. Im gleichen Moment steckten Rosie und Thor Alfson die Köpfe um die Ecke.

Sie kamen aber nicht dazu etwas zu sagen, denn das Pulsieren hörte auf und Trixis Passant schwebte an den Köpfen der vier Beobachter vorüber in Richtung des Steines, der immer noch wie eine offene Lotusblüte inmitten der Höhle lag und eine unantastbare Ruhe ausstrahlte. Nun begann er auch zu schweben. Trixis Passant wurde größer, der Stein wurde kleiner, bis sie auf gleicher Größe waren. Dann senkte sich die Lotusblüte und gab den Blick auf das Artefakt frei, das weiterhin in gleicher Höhe schwebte. Trixis Passant öffnete sich auf die gleiche Weise wie der Stein, der sich währenddessen verschloss. Trixi sagte: „ Das ist ein Original“, und schaute Rosie an, „ich wusste sie verändern ihre Form, ich wusste es“. „Das ist das erste Mal“ erwiderte Rosie ohne den Blick von dem unglaublichen Schauspiel abzuwenden, das sich ihnen bot. Rosie konnte es nicht glauben. Trixis Passant nahm das Artefakt in sich auf, schwebte zurück zu Trixi und fing wieder an zu leuchten. Genau so wie er geleuchtet hatte, bevor der erste Lichtball das Kommando übernommen hatte.

Keiner der vier fand die richtigen Worte. Auf einen Schlag fühlten sie sich ausgelaugt und kraftlos. Sie beeilten sich zurück an die Oberfläche zu kommen. In ganz TuriSede herrschte eine leichte Katerstimmung, wie nach einem ihrer berühmten Feste, zu denen es meist einen Anlass gab, auch wenn die TuriSeder zum feiern keinen brauchten. Der Abschied fiel dementsprechend weniger ausgelassen und aufgedreht aus.

Auf dem Rückweg redeten Trixi und Rosie kaum. Als sie wieder an der Stelle angekommen waren, an der sie Trixis Reisezimmer verlassen hatten, nahm Trixi ihren Passanten, vergrößerte ihn, klopfte zwei Mal mit den Fingerknöcheln dagegen, wie wenn sie an eine Tür klopfen würde und schon tauchte die Tür auf. Bevor sie erschöpft hindurch schritten bat Rosie Trixi noch: „Lass uns bitte morgen darüber reden, bevor du alles mit deinen Eltern besprichst.“ „Gerne“, kam die müde Antwort. Die beiden ungleichen Reisenden schleppten sich durch die Tür und Trixi schloss sie hinter ihnen und rutschte ihr Zimmer mit einem lang gezogenen „Maaamaaa“ wieder in ihr Elternhaus ein.

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Trixi im Morgenland von Integralis e.V. ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz

Date Title Duration
2. Dezember 2019 10:15 Das Ende ist nur der Anfang
0:38:19
12. November 2019 10:19 Freiheit für die Liebe
0:37:21
14. Oktober 2019 12:12 Azet
0:46:54
14. August 2019 11:51 Naturia
0:45:17
8. Juli 2019 12:03 Zeit
0:41:39
21. Mai 2019 10:51 Alte und neue Wunden
0:37:44
6. März 2019 11:06 Verlockungen der Normwelt
0:55:41
28. Januar 2019 12:17 Das Turiseder Artefakt
0:42:47
19. Januar 2019 17:40 Reisen
0:36:58
29. November 2018 17:21 Trixis Gogyo-Ki (Teil 2)
0:35:13
1. November 2018 17:16 Trixis Gogyo-Ki (Teil 1)
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31. August 2018 16:54 Trixi findet ihr Seelentier
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1. August 2018 10:57 Kurzgeschichte: "Trixi sucht die Freiheit"
0:35:54

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