Ein Gastbeitrag von Philipp Wohlwill (www.wortwohl.de)
Trixi wachte auf und öffnete vorsichtig ein Auge. Sie betrachtete ihr Zimmer, als wäre sie in einer fremden Umgebung. Es sah alles aus wie gestern, als sie mit Rosie aus TuriSede zurückgekehrt war. Trixi öffnete auch das zweite Auge, hob die Decke an, schaute darunter und grinste breit, sie war tatsächlich in ihren Klamotten zu Bett gegangen.
Schlaftrunken setzte sie sich auf und reckte sich, dabei fiel ihr Blick auf das Armband mit ihrem Passanten und geradezu schockartig kehrte die Erinnerung an die schwebende Diotima-Statue zurück. Trixi brachte sofort ihren Passanten auf Normalgröße und untersuchte ihn, es gab keinerlei Spuren oder Hinweise darauf, dass sich in dem Passanten noch ein weiteres Original verbarg. Trixi begann darüber nachzudenken, wie sie ihren Eltern von der ganzen Sache erzählen würde.
Sie stand auf und merkte dabei, dass ihre Kleidung ihr schmutzig und verschwitzt am Körper klebte. Sie sehnte sich nach einer Dusche. Im Badezimmer zog sie sich aus, steckte sich die Zahnbürste in den Mund und stellte sich unter die heiße Dusche. Sie liebte es zu duschen. Seit einiger Zeit fühlte sich das warme Wasser auf der Haut besser an. War es noch vor wenigen Monaten, eine mühselige Last gewesen, den eigenen Körper von Dreck zu befreien, war es heute ein himmlisches Vergnügen. Zu spüren, wie das Wasser die Haut benetzte, zuzuschauen, wie es den Körper reinigte, indem es den Schmutz mit sich nahm, war schön zu betrachten und fühlte sich auch toll an.
Während Trixi sich die Zähne putzte, überlegte sie, ob das Artefakt aus TuriSede wohl noch in ihrem Passanten sei oder ob es sich ganz mit ihm verbunden hatte. Obwohl sie sich diese Frage stellte, wusste sie instinktiv, dass die Statue noch da war. Wenn sie sich ihren Passanten vorstellte, dann sah sie immer auch das Artefakt darin, umgeben von einem schwachen roten Licht. Zufriedenheit und Aufregung vermischten sich in Trixi und wurden zu großer Tatkraft. Während sie sich abtrocknete und zurück in ihr Zimmer ging, verschwand auch das starke Bedürfnis mit Rosie und ihren Eltern über das Artefakt in ihrem Passanten zu sprechen. Der Doppelstein am Handgelenk gab Trixi ein gutes Gefühl. Sie fühlte sich sehr geehrt, dass die Statue sie ausgewählt hatte, es gab ihr Selbstvertrauen und niemand hatte Einspruch dagegen erhoben. Für Trixi war die Sache damit erledigt. Zumindest fast erledigt, denn einer Frage musste sie nun auf eigene Faust auf den Grund gehen: Ihrem Traum von der Gogyo-Ki, vom Erwachsenen Aram, der angeblich nicht Aram war.
Rosie hatte natürlich eine ganz andere Wahrnehmung von der Situation. Dass sich das Artefakt, das sie gemeinsam mit Thor versteckt hatte, nun in Trixis Passanten verbarg, gefiel ihr überhaupt nicht. Als Rosie am gestrigen Abend gemerkt hatte, dass Trixi ihr nicht die Treppe hinunter folgte, hatte sie sofort die Gelegenheit genutzt, um alles mit Trixis Eltern zu besprechen und zu überlegen, was nun zu tun sei. Trixi hätte den Mund nicht mehr zu bekommen, wenn sie gehört hätte, worüber ihre Eltern und Rosie redeten.
Die Lichterts waren damals noch nicht verheiratet gewesen, aber die Geschehnisse, die letztendlich dazu geführt hatten, dass Rosie einen Original-Passanten in einer anderen Welt versteckt hatte, waren auch für den großen Respekt gegenüber allem Magischen verantwortlich, den die Lichterts in sich trugen. Die drei kamen darüber ein, dass sich Trixis Weg schon früh zu einem besonderen entwickelt hatte und sie ihr somit zutrauen konnten mit der Situation alles in allem verantwortungsvoll umzugehen. Ihnen war natürlich auch klar, dass sie erst mal keine andere Wahl hatten. Jemand musste auf jeden Fall irgendwie mit Travis Kontakt aufnehmen. Sie grübelten wie sie Travis beibringen konnten, was sie getan hatten. Schließlich sagte Rosie „Lasst uns erst mal abwarten, ob der Passant Trixi überhaupt zu Travis führt. Vielleicht musste er auch nur wieder zurück nach Hause ins Morgenland“. Papa Lichtert schlug vor: „Trixi sagen wir nichts weiteres. Ich glaube, es reicht, wenn sie mit der Situation im Hier und Jetzt umgehen muss. Weitere Erklärungen zur Vergangenheit schaden da vielleicht eher.“ Die beiden Frauen stimmten zu und so trennten sich die drei zu sehr später Stunde, aber mit einem guten Gefühl und der Hoffnung, dass ein altes Problem, das sie schon nicht mehr für lösbar gehalten hatten, bald zu einem versöhnlichen Abschluss kommen könnte.
Deshalb schliefen Trixis Eltern noch während Trixi zurück in ihr Zimmer ging, um sich etwas anzuziehen. Sie versuchte möglichst leise zu sein, denn sie hatte jetzt sogar überhaupt keine Lust mehr mit ihren Eltern über gestern zu sprechen. Trixi wühlte in ihrem Kleiderschrank. Sie hatte sich in den letzten Wochen fast komplett neu eingekleidet. Ihre Eltern hatten das finanziert, weil sie eingesehen hatten, dass Trixi beim Sicherheitstraining nicht ihre Kleider oder ihre Minnie Maus Leggings anziehen konnte.
Das hatte verschiedene Gründe. Einmal handelte es sich nicht nur um Unterricht, sondern auch um praktische Übungen, erste Hilfe und Rettungstechniken genauso wie Selbstverteidigung. Dabei musste man unbedingt passend angezogen sein. Ein Kleid konnte sich in allen möglichen Dingen verfangen und eine Leggins bot nicht genug Schutz.
Trixi wählte eine ihrer neuen, eng anliegende Jeans in schwarz und einen sportlichen pinken Pullover. Auf dem Weg nach draußen schlüpfte sie barfuß in ein Paar Sportschuh. Sie entschied sich für die roten. Als sie sich angezogen hatte, machte sie noch einmal die tiefe Seelenzug Übung und ging dann frühstücken.
Der zweite Grund, dass Trixi neue Kleider gebraucht hatte, war, dass ein nicht unwesentlicher Teil des Trainings in der Normwelt stattfand. Als junges Mädchen wäre sie dort extrem aufgefallen, wenn sie nicht wie die anderen jungen Mädchen ausgesehen hätte. „Wieso das denn?“ hatte sie Rosie gefragt und Rosie hatte es ihr zwar sehr gut erklärt, aber so richtig nachvollziehen bzw. nachfühlen konnte Trixi es erst nicht.
Rosie hatte gesagt, es handele sich um eine „kulturelle Sache“, etwas, das mit Erziehung zu tun hat und mit der Umgebung, in der man lebt. „Erstmal ist die Normwelt anders und deshalb sind die Menschen, die dort leben, etwas anders. Das ist ja auch der Grund, warum wir in der Normwelt trainieren. Du hast dort nicht das Morgenland als Sicherheitsnetz. Im Morgenland kommt fast nie jemand bei einem Unfall zu Tode, weil das Morgenland selber oft noch eingreifen kann. Das ist in der Normwelt ganz anders, dort sterben jeden Tag viele Menschen. An Unfällen, an Hunger, an Gewalt und nicht immer ist es die Schuld der Menschen. Manchmal ist es die Schuld der Umstände, die das Land selber eben nicht verändern kann. Normweltler müssen alles selber machen, Trixi. Erinnerst du dich an unsere Fahrt auf der Autobahn?“ „Klar,“ bejahte Trixi. Die Schnelligkeit der Fahrt und die Größe der Straße hatten sie nachhaltig beeindruckt.
„Diese Straße ist nicht einfach entstanden, sie besteht aus vier Lagen und jede Lage, jeder kleine Kieselstein, jede Schraube in der Leitplanke, jede Notrufsäule wurde von einem Menschen dort eingebaut.“ „Okay“, Trixi war beeindruckt. „Für jede Notrufsäule wurde ein Loch gegraben, ein Fundament gegossen, ein Kabel verlegt oder Funkempfang eingerichtet. Und natürlich wurde die Notrufsäule vom Ständer über die Stromversorgung bis zu Lautsprecher und Mikrofon vorher gebaut und zusammengesetzt. Und das alles über Hunderte von Kilometern, Tausende Säulen, Millionen Schrauben und unzählige Tonnen Kiesel und Asphalt.“ Trixi schwirrte der Kopf „Wie geht das?“ Rosies Gesicht klarte sich auf, Trixi wusste, dass sie nun zum Kern ihres Vortrages kommen würde. „Das geht nur zusammen.“ sagte Rosie und lächelte „Und es ist gefährlich.“ fügte sie eindringlich hinzu. „Deshalb haben Normweltler viele Regeln und einige harte Strafen. Das beruht zum wesentlichen Teil auf der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit und zu einem großen Teil auf Angst: Der Angst einen geliebten Menschen zu verlieren, Angst vor Hunger, Durst, Ausgrenzung.“
Rosie hatte die Fotos, die sie Trixi gerade von der Normwelt und von Strom-Orten zeigte, beiseite gelegt und die beiden hatten sich vor ihrem Haus an den Kaffeetisch gesetzt und Tee getrunken. Rosie nahm sehr wohl wahr, wie es in Trixi arbeitete, sie konnte fast sehen, wie sich Lebensumstände der Menschen in der Normwelt in Trixis Bewusstsein entfalteten. Rosie wartete in Ruhe ab, genoss ihren Tee und die Morgenluft, die an diesem Tag eine erfrischende Kälte in sich getragen hatte. Trixi sog die frische Luft ebenfalls tief ein und sagte: „Ich verstehe, was du mir sagen willst und ich glaube, ich beginne den Unterschied zwischen den Welten zu verstehen, und ich verstehe auch, was du meinst, wenn du sagst, das sei eine kulturelle Sache.“ Diesmal war es Rosie die unterbrach: „Und was meine ich damit?“ Trixi überlegte kurz und fasste dann zusammen: „Naja, damit meinst du, dass die Regeln, die in einer Welt wichtig sind, etwas mit den Umständen, die dort herrschen, zu tun haben. Ich merke ja auch, dass es dir wichtig ist, aber ich versteh immer noch nicht, warum es für mich wichtig ist?“
Rosie wandte sich ihrem Garten zu. „Es gibt unzählige unglaubliche Welten dort draußen, Fantasiewelten im Strom, permanente Welten wie das Morgenland, Planeten in der Galaxie, die wiederum tausende eigene Welten beherbergen und es gibt schon viele Welten hier in meinem Garten direkt vor unseren Nasen und sogar in unseren Nasen gibt es zu erforschende Welten. Sie alle sind durch den Strom zu erreichen. Du, Trixi, kannst all diese Welten erreichen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass du verstehst, dass all diese Lebensräume ihre eigenen, sich verändernden Umstände entwickeln und die Lebewesen, die sie bewohnen, entwickeln Regeln und Verhalten, um diese Umstände für sich zu nutzen. Egal wie dumm oder sinnlos ein Verhalten dir vorkommt, sei es in der Normwelt oder in irgendeiner anderen, denke immer daran: Es hat mit Gewissheit einen Sinn, den du nur noch nicht erkennen kannst. Regeln entwickeln sich über die gesamte Existenz einer Gemeinschaft oder einer Gruppe immer weiter und passen sich immer den neuen Umständen an. Und um deine Frage endlich zu beantworten: So hat es sich auch entwickelt, dass Kleidung in der Normwelt nicht mehr vornehmlich dazu dient, dass du dich in ihr wohl fühlst, sie dich schützt. Aufgrund der Umstände, die sich verändert haben, ist Kleidung in der Normwelt ein Mittel zu kommunizieren geworden. Sie sind so viele und müssen alle zusammen leben. Kleidung ist etwas Soziales geworden, etwas Zwischenmenschliches, damit ordnet man sich einer Gruppe zu, zeigt wer man ist, wenn man möchte sogar aus welcher Familie man kommt, welche politischen Ansichten man hat, oder ähnliches. So entstehen weniger Gespräche, die sinnlos sind, weil sie zu keiner Gemeinsamkeit führen“.
Trixi fragte sich, warum ein Gespräch, das zu keiner Gemeinsamkeit führt, sinnlos ist. Sie nahm einen Schluck Tee und dachte eine Zeit lang darüber nach. Und als sie weiter versuchte, sich in das arbeitsame Leben eines Normweltlers einzudenken, wurde ihr klar, dass es ganz natürlich ein Problem ist, wenn man einen Maurer sucht und immer nur Elektriker anspricht, weil alle gleich angezogen sind. Da hilft es natürlich, wenn man gleich sieht, wer wer ist. „Wenn man Freunde sucht,“ dachte Trixi „und gleich an der Kleidung erkennt, ob das Gegenüber die gleiche Musik hört wie man selber, erleichtert das die Sache schon“. Zufrieden nahm sie sich einen der Kekse, die Rosie bei solchen Gesprächen immer bereit stellte. Die Frage hatte sich für Trixi erledigt.
„Wie viele Morgenländler gibt es ungefähr?“ band Rosie ihre Schülerin in den Vortrag ein. Trixi überlegte kurz und sagte dann „Ich glaube es waren 12.000“. „Genau Trixi.“ Stimmte Rosie zu. „Das sind ungefähr so viele Menschen, wie in einer kleinen Stadt in der Normwelt leben. In jedem Land gibt es sehr viele davon. Zusätzlich gibt es in jedem Land große Städte und in manchen Ländern gibt es Städte, in denen wohnen so viele Menschen, wie in kleinen Ländern insgesamt. Es gibt Städte, die sind hundert mal so groß wie das ganze Morgenland und dann gibt es verschiedenen Kontinente in denen viele unterschiedliche Länder sind. In der Normwelt leben unvorstellbar viele Menschen zusammen. Inzwischen sind es so viele, dass es keine Gebiete mehr gibt, in denen man keine Menschen trifft. In unserer Zeit entwickelt sich in der Normwelt zum ersten Mal eine Gemeinschaft, zu der wirklich alle gehören, eine Gemeinschaft mit allen Menschen des Planeten. Das ist dort etwas ganz neues. Wir kennen das ja gar nicht anders. Bei uns gehören immer alle dazu und alle wissen, die Trixi, die mag Kleider, weil dich alle kennen.“
Trixi hatte darauf verzichtet Einspruch zu erheben. Sie hatte während des Trainings ein starkes Interesse für die Mode und die Trends der Normwelt entwickelt und konnte nicht mehr so richtig verstehen, dass ihr die Minnie-Maus Leggings mal so unglaublich gut gefallen hatten. In den Gesprächen, die sie in der Normwelt mit Gleichaltrigen geführt hatte, hatte Trixi heraus gefunden, dass sie wohl recht hübsch ist und war erstaunt gewesen, welche Rolle das spielte. Jedenfalls stand sie bereits ziemlich auf die Klamotten, die Musik und den Lebensstil der Jugendlichen in der Normwelt. Insgesamt hatte ihre Skepsis gegenüber der Normwelt sich in ein wohlwollendes Interesse gewandelt. Das lag auch an den unglaublichen Leistungen der Normweltler, die ihr einen gewissen Respekt abrangen.
Nachdem Rosie sie über die Komplexität des Lebens in der Normwelt aufgeklärt hatte, war Trixi zunehmend fasziniert von den Errungenschaften der Menschen auf dem Planeten Erde und fragte deshalb zu einer anderen Gelegenheit, woher die Menschen alle wussten, wie man das alles baut und verarbeitet und herstellt. Rosie war erfreut gewesen und hatte Trixi gleich mit einer neuen Aufgabe betraut. Sie machte ihre Schülerin mit dem Internet, Bibliotheken und Museen bekannt, den Orten, an denen der größte Teil des Wissens der Menschen gespeichert wurde. Sie versprach Trixi außerdem, zwei freie Tage, um mithilfe dieser Einrichtung etwas über ihren zweiten Namen Seelenblüte heraus zu finden.
Gestern hatte Trixi ihre erste Reise gemacht und heute würde sie mit den Nachforschungen zu ihrem zweiten Namen beginnen. Während ihrer ersten Reise hatte es genug Verhalten gegeben, dessen Grund sie nicht hatte erkennen können, und der ihr sinnlos und albern vorgekommen war. Gegen das, was sie in TuriSede erlebt hatte, erschien ihr ein Ausflug in die Normwelt wie ein Spaziergang im eigenen Vorgarten.
In Windeseile würgte sie die Reste ihres Müslis herunter, schrieb einen Zettel für ihre Eltern und Rosie und verschwand leise aus dem Haus in die Wärme der beiden Vormittagssonnen. Sie schnappte sich ihr Longboard aus der Garage, setzte sich ihre Kopfhörer auf und düste ab in Richtung Aram.
Man durfte nicht allein in die Normwelt und Trixi würde heute Aram mitnehmen und so gleich zwei Rätsel lösen, das um ihren zweiten Namen, und das um ihren Traum von ihrem besten Freund als Erwachsenem.
Nach einem schnellen Ritt auf ihrem Longboard kam sie durchgewuschelt und bester Laune bei Arams Haus an. Das Morgenland hatte natürlich dafür gesorgt, dass es die ganze Zeit bergab ging. Motoren brauchten hier nur Autos und Laster. Trixi kickte das Tail des Boards, fing es mit der freien Hand und trug es den kurzen Weg zur Tür des Hauses. Sie klingelte, damit alle wussten, dass jemand rein kam und betrat dann das Haus und begann nach Aram zu suchen. Die Zimmer, die Travis benutzte, mied sie meist. Sie hatte keine Angst vor ihm, auch als Kind hatte sie den Geschichten über Arams Vater nie geglaubt, aber trotzdem war Travis ein eher unangenehmer Gesprächspartner. Die Kinder erzählten sich immer noch eine Gruselgeschichte, in der Travis als Vampir kleinen Morgenländlern ihre Lebenskraft aussaugte.
Trixi wusste, dass Travis kein Vampir war und sie war sich auch sicher, dass er ein ganz netter Mensch sein konnte, aber Travis war immer müde und kraftlos. Er wirkte permanent genervt und hatte ständig einen Gesichtsausdruck, der vermuten ließ, dass er unter Schmerzen litt. Das führte dazu, dass er von den Morgländlern gemieden wurde und er selber verstärkte seine Einsamkeit noch, indem er nie irgendwo auftauchte, zu keinem der Feste oder Rituale kam und auch sonst keinerlei Anstalten machte, sich in die Morgenländler Gesellschaft einzugliedern. Trixi hatte ihre Eltern mal dazu befragt und selbst die hatten sehr zurückhaltend reagiert und ganz untypisch darauf hingewirkt, dass sich Trixi nicht weiter mit dem Papa ihres besten Freundes beschäftigte. Travis war für einen Morgenländler zu unglücklich, um dazu zu gehören. Als Trixi durch das dunkle Haus ging und so darüber nachdachte, musste sie auch wieder an Rosie denken. Sie fragte sich, ob die Morgenländler Gemeinschaft tatsächlich Menschen ausschloss, die nicht glücklich genug darüber waren hier leben zu dürfen.
Es war offensichtlich niemand zuhause, Trixi verließ das Haus wieder und schloss die Tür beim Gehen. Sie hatte sie natürlich offen gelassen, damit jeder wusste, dass in diesem Haus gerade jemand ist. Alles andere wäre schließlich sehr unhöflich gewesen und beim Betreten des Hauses hätte sich der Eigentümer möglicherweise erschreckt. Als sie unentschlossen vor Arams Haus stand fiel ihr plötzlich ein, dass es vormittags war. Sie hatte sich gewundert, warum sie auf dem Weg niemanden getroffen hatte. Sie strich mit dem rechten Daumen aufwärts über eine der weißen Adern ihres Passanten, stoppte am oberen Ende und machte mit dem Daumen eine viertel Drehung auf dem Stein, als würde sie eine unsichtbare Schraube ein kleines Stück in den Stein schrauben. Neben dem Passanten, der noch am Armband hing, erschien eine grüne Schrift in der Luft. Sie informierte Trixi über die Uhrzeit und den Tag. Es war 11:30 am Mittwoch, den 18. September. Alle waren Arbeiten oder in der Schule. Trixi fuhr also zu der Schule für die Großen, es gab nur zwei, eine für die Kleinen und eine für die Großen. Sie wartete kurz vor der Schule und fuhr dann ein Stück den Weg in Richtung Arams Haus wieder zurück. Sie hatte keine Lust viele Leute zu treffen und sich ewig unterhalten zu müssen, sie wollte los. Der Tatendrang, der sie unter der Dusche erfasst hatte, setzte sie unter Spannung. Sie musste sich glücklicherweise nicht lange in Geduld üben.
Mit gesenktem Kopf schlurfte Aram durch die Mittagssonne auf sie zu. Er kam immer näher ohne den Kopf zu heben. Trixi grinste, wegen der typischen Abwesenheit ihres Freundes. Dann schlurfte Aram an ihr vorbei ohne Notiz von ihr zu nehmen oder sie zu erkennen. Trixi war erstaunt und rief „Hey, Aram“. Aram drehte sich um und blinzelte in die Sonne, dann sagte er zögernd „Jaaa?“. Trixi wurde endlich klar, dass er sie nicht erkannt hatte. Sie ging an ihm vorbei, sodass er nicht mehr geblendet wurde, breitet die Arme aus und sagte „Tadaaaa, ich bin‘s. Trixi! Trxi aus dem Morgenland“. Aram riss die Augen auf und freute sich sichtlich über das Wiedersehen. „Wie siehst du denn aus?“ fragte er. Trixi war etwas enttäuscht über diese Reaktion auf ihre neue Kleidung. Als Aram mit weiterhin freudig überraschter Miene auf sie zu kam und sie umarmte war sie wieder mal sehr glücklich, dass sie nicht in der Normwelt lebte, wo Kleidung so viel zählte und nahm sich fest vor, die Fehler der Normweltler nicht nach zu machen.
Trixi und Aram schlenderten zu einem der Supermärkte, besorgten sich ein Eis und erzählten sich gegenseitig was alles passiert war. Natürlich sprach Trixi etwas mehr, denn sie hatte ja auch etwas mehr erlebt. Diesmal ließ sie kein Detail aus und es wunderte sie nicht, dass Aram viele Fragen hatte, von denen sie kaum eine beantworten konnte. Sie erzählte ihm, dass sie hoffte einige Antworte im Wissensschatz der Normweltler zu finden. „Du meinst Internet und Bibliotheken?“ fragte Aram. „Ja!“ wunderte sich Trixi „Woher weist du das?“. „Ich habe schon viel gelesen und recherchiert über viele Welten. Wegen Mama, du weißt doch.“ Trixi nahm ihren Freund in den Arm und drückte ihn kurz. „Hast du Lust mit mir trotzdem heute ein bisschen in der Normwelt zu forschen?“. „Hört sich super an.“ freute sich Aram. „Hast du inzwischen einen Termin für dein Gogyo?“ fragte Trixi, um das Thema von ihren Abenteuern auf sein Leben zu lenken. „Nein, aber inzwischen glaube ich auch, je mehr ich warte, desto langsamer geht‘s.“ „Alles klar.“ Trixi stand auf: „Heute kriegen wir dich garantiert abgelenkt. Hüpf drauf“ Mit diesen Worten stellte sie sich vorne auf ihr Longboard.“ Aram lächelte und löste von der linken Seite seines Rucksacks eine kleine Platte. Er zog die beiden Seiten heraus und die Platte erhielt die Form eines Longboards. Er griff auf die rechte Seite seines Rucksacks, zog zwei Achsen mit Rädern, aus dafür vorgesehenen Vertiefungen, und klickte sie in Schienen an Anfang und Ende des Boards. Dann sprang er auf, sauste Richtung Normtor, an der staunenden Trixi vorbei, und rief während er kurz zurück blickte „Trixinessss“. Trixi verstand die Aufforderung natürlich sofort und gab Vollgas. Bis zum Tor holte sie ihn aber nicht mehr ein. Er war offensichtlich ziemlich gut geworden in den letzten Wochen.
Sie kamen am Normtor an. Aram bremste und stieg von seinem Board. Dann kickte er es hoch und lehnte sich dagegen, genauso wie Trixi es immer machte. Er lächelte sein kleines Lächeln, das man erst zu deuten wusste, wenn man ihn gut kannte. Er ließ Trixi damit wissen, wie sehr er sich freute, sie nicht nur überrascht, sondern sogar geschlagen zu haben.
Trixi konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie zum ersten Mal durch das Normtor gegangen war. Sie hatte gedacht, es müsste riesig sein und mit einem allmächtigen Energieschild umgeben. Bewacht von Ogern, Feen und Soldaten. Das Gegenteil war der Fall. Beim Normtor handelte es sich um ein Plastikrohr, das unter der Erde verlegt war. Wie ein Abwasserkanal oder die unterirdische Führung eines Flusses. Das Rohr schaute einige Zentimeter aus dem Abhang. Eine halbrunde Mauer aus roten Ziegeln verhinderte, dass der Abhang einstürzte und das Rohr unter sich begrub. Und das war es auch schon. Man kletterte einige dutzend Meter durch das Rohr und kam auf der anderen Seite an einem ganz ähnlichen Abhang mit einer fast identischen Mauer wieder heraus. Die einzige Verbindung zum Rest der Normwelt war eine Landstraße. Die führte zu einer kleinen Stadt und von dort aus konnte man dann über das komplizierte Netz von Straßen, Gleisen und Wasserwegen jeden Platz auf dem Planeten Erde erreichen. Es dauerte nur ewig lange und kaum ein Morgenländler hatte je Interesse daran gehabt, die beschwerlichen Reisen in der Normwelt weiter zu gestalten als unbedingt notwendig.
Aram kletterte den Abhang herauf, setzte seinen Rucksack ab, stellte ihn vor sich hin und setzte sich auf sein Longboard. Dann begann er in seinem Rucksack zu kramen und Trixi setzte sich daneben und beobachtete ihn.
„Was machst du?“ fragte sie. „Warte einen Moment, ich zeig‘s dir.“ Er kramte einen kleinen silbernen Kasten hervor, der aus dem gleichen Material gemacht war wie sein ausziehbares Board. Er stand auf, drehte sein Board um und befestigte den Kasten darunter. Dann öffnete er den Deckel des Kastens, entnahm ihm zwei Zahnräder und klickte sie mittig an den Achsen fest. Er zog zwei kleine Ketten aus den Seiten der Vorrichtung, führte sie um die Zahnräder und zurück in die Apparatur. Dann legte er einen kleinen Hebel im Kasten um und ein kleines rotes Lämpchen wurde grün. Er verschloss den Kasten und drehte sein Board um. Dann schaute er triumphierend Trixi an. Die schaute erstaunt und anerkennend zurück. „Wow!“ sagte sie. „Warum ist da noch keiner vor dir drauf gekommen?“. „Weil niemand so viel in der Normwelt unterwegs ist wie ich, der nicht Autofahren darf.“ „Du bist viel hier?“ wunderte sich Trixi „Ja. Ist kein Verbrechen. Deine Eltern haben dir die Normwelt schon immer verboten. Meinen Vater interessiert es einfach nicht, und ich muss Antworten selber finden, wenn mir meine Fragen niemand beantwortet.“ „Das heißt, du suchst auch in der Normwelt nach deiner Mutter?“ Trixi war baff. Aram lächelte müde „Schon seit Jahren. Was hast du denn gedacht was ich gemacht habe, wenn du für deine Geländejagden trainiert hast?“ Trixi war wie vor den Kopf gestoßen, denn sie wusste darauf keine Antwort, sie hatte sich darüber nie wirklich Gedanken gemacht. Deshalb antwortete sie auf den Vorwurf, der in der Frage steckte, und sagte: „Aram, es tut mir leid, ich habe dich in den letzten Jahren vielleicht etwas unterschätzt“.
„Ich habe nur einen Motor, aber ich kann dich ziehen.“ bot Aram an, stieg auf sein Board und reichte Trixi die Hand. Auf dem Weg erzählte Aram von den Museen, die er kannte und Trixi überlegte anhand der Infos, wo sie anfangen sollte zu suchen. Als sie in dem kleinen Städtchen angekommen waren, wussten sie noch nicht, wohin es gehen sollte, deshalb fragte Aram: „Was suchst Du den überhaupt? Was sollst du herausfinden?“ Daraufhin lud Trixi ihren Freund auf ein Eis ein und erzählte ihm die lange Geschichte ihrer ersten Reise und ließ auch nichts von dem aus, was davor passiert war.
Ganz frei erzählte sie auch von ihrem Traum und als sie geendet hatte, fühlte sie sich unglaublich erleichtert und sehr wohl. Nun war endlich mal wieder Aram mit dem Staunen dran. Er hatte in den letzten Jahren ein zweites Zuhause in der Normwelt gefunden und sich so an ein etwas beschwerliches, aber sehr freies und unbeobachtetes Leben gewöhnt. Nun begann er zu begreifen, wie beschwerlich auch das Leben im Morgenland sein konnte.
Eine Zeit lang saßen die Beiden schweigend nebeneinander und dachten nach. „Am besten ist es eigentlich alles über die Seele herauszufinden“ überlegte Trixi. „Vielleicht ist das einfacher als nur herauszufinden, wie das mit der Blüte ist.“ Aram schmunzelte. „Um alles über die Seele heraus zu finden, haben wir ein bisschen wenig Zeit. Weißt du, wie viele Bücher wir dann lesen müssten? Das geht nicht.“ beschloß Aram und fügte hinzu, „Ein Philosoph hat mal gesagt ‚Die tiefe der Seele ist unergründlich‘ Das hieße dann wohl, dass alles darüber heraus zu finden unmöglich ist.“ „Wer hat das gesagt?“ Trixis Neugier war geweckt. „Ich weiß es nicht mehr genau,“ gab Aram zu „aber es war ein Philosoph, ein Denker.“ „Wo hast du ihn den getroffen?“ forschte Trixi. Wieder musste Aram schmuzeln „Das war ein Philosoph der schon seit vielen Jahren Tod ist.“ Trixi runzelte die Stirn „Und mit wem hast du über ihn gesprochen? Las dir doch nicht jedes bisschen Informationen aus der Nase ziehen.“ Aram holte tief Luft, er wollte etwas Zeit gewinnen, denn er wusste nicht genau wo er anfangen sollte. „Naja, natürlich hab ich ihn Überhaupt nicht gesehen. Ich habe über ihn gelesen. Im Internet glaube ich, und ich fand sehr interessant was er über die Seele gesagt hat und über die Liebe. Der war aber genau wie viele andere dieser Denker, schon lange Tod. Also ich meine so richtig lange.“ „Wo ist das Internet?“ wollte Trixi wissen. Wieder musste Aram kurz überlegen wo er anfangen sollte.
Der Umgang mit den Einrichtungen der Normwelt war ihm schon so vertraut, dass ihm Trixis Fragen ein klein wenig doof vorkamen, aber das sagte er natürlich nicht, denn er wollte Trixi nicht verletzen und er wusste ganz genau, wie es ist, sich in etwas zurecht finden zu müssen, was man nicht kennt, schließlich hatte er fast alle seine Erfahrungen in der Normwelt alleine gesammelt. Das war zwar schon verboten, aber nach einigen gemeinsamen Ausflügen, hatte sein Papa es ihm dennoch erlaubt. Travis hatte die Faszination seines Sohnes für die Normwelt sehr gut verstehen können, hatte ihm alles erklärt, was er wissen musste, und seinem Sohn dann vertraut. Der alleinerziehende Papa hatte recht behalten und Aram hatte viel Wissen und Selbstbewusstsein aus seinen Ausflügen gezogen, auch wenn er es niemandem hatte verraten dürfen.
„Das Internet ist überall verteilt. Es ist elektronisch und besteht aus Informationen, die sich auch zu Bildern und Tönen zusammenfassen.“ „Hört sich an wie der Strom!“ warf Trixi ein. „Man kann sich aber nicht wirklich darin umschauen, sondern es zeigt alle Sachen auf einem Bildschirm.“ erklärte Aram. Man braucht ein Gerät, um sich darin umzuschauen und das Gerät zeigt dann auf seinem Bildschirm das an, wonach man gesucht hat. Man muss ein Suchwort haben. Da kann man aber alles nehmen.“ „Woher bekommen wir ein Internetgerät?“ Trixi wollte schon los gehen, setzte sich dann aber wieder und überlegte.
Aram wartete ab, er kannte seine beste Freundin und war schon auf den Einfall gespannt, den er gleich würde präsentiert bekommen. Sie schaute ihm tief in die Augen und hob dann gleichzeitig die Augebrauen und ihr Armband hoch. Aram erkannte sofort den daran baumelnden Passanten. Nichts anderes hatte Trixi erwartet. Aram erwiderte den Blick, zuckte mit den Achseln und meinte: „Ist bestimmt ein Versuch wert, aber bestimmt nicht hier“. Trixi schaute sich um, in der letzten halben Stunde hatte sich die Fußgängerzone mit Normweltlern gefüllt. „Du hast recht, kennst du einen Platz, wo wir das mal ausprobieren können?“
Aram kannte viele Orte, aber einige waren ihm so heilig geworden, dass er im Moment selbst Trixi nicht dort hin führen wollte. Die Auswahl war aber groß und das Gebiet um die Kleinstadt am Normtor kannte er inzwischen wirklich gut. „Ich habe eine Idee. Es gibt nicht weit von hier eine Stelle, die fast wie der Sprungfelsen ist. Man sieht jedenfalls immer, ob jemand kommt und ist an einer erhöhten Position, die von unten nicht einsehbar ist.“ „Perfekt.“ entschied Trixi und die Beiden gingen los. Nach einer halben Stunde ließen sie die Stadt hinter sich und liefen auf einen kleinen Berg zu. „Wir müssen da rauf. Aber der Wanderweg führt auf der anderen Seite nach oben. Ich schlage vor, wir klettern.“ Trixi nickte: „Guter Vorschlag.“ Eine gute Stunde später hingen Trixi und Aram in einer sehr anspruchsvollen Kletterwand und hatten einen Riesenspaß. Sie musste wirklich alles geben und die Angst runter zu fallen, ohne dass das Morgenland einen See entstehen lässt oder wenigstens Heu unterlegt, machte die Kletterpartie sehr sehr spannend. Oben angekommen klatschten die Beiden ab. Aram war dank Trixis Unterricht ebenfalls ein großartiger Kletterer. Beide wussten, was sie eben geleistet hatten und schnauften ganz ordentlich. Sie waren erst mal platt. Aram signalisierte Trixi mitzukommen und sie folgte ihm zu einer kleinen Bank, deren Position auf dem Hügel sie tatsächlich etwas an den Sprungfelsen im Morgenland erinnerte. Abgesehen davon, das hinter ihnen noch ein ca. 10 Meter hoher Turm in die Luft ragte.
Nachdem sie kurz verschnauft und etwas getrunken hatten, brachte Trixi ihren Passanten auf Normalgröße und ließ ihn die Zeit anzeigen. Die Schrift erschien wie immer neben dem Passanten in der Luft. „Cool!“ sagte Aram anerkennend. Trixi freute sich und fragte: „Meinst du so könnte es auch klappen, das Internet anzuzeigen, ohne Bildschirm?“. „Auf jeden Fall.“ bestätigte Aram. „Gut, dass wir das nicht in der Fußgängerzone ausprobiert haben. Die Menschen versuchen seit Jahren so etwas zu erfinden. Hätte das jemand gesehen, hätte das ein riesen Aufsehen erregt. Darf ich mal?“ Aram hielt Trixi die Hand hin und mit den Worten „Klar, du schon.“ reichte sie ihm ihren Passanten und gab ihn damit zum zweiten Mal aus der Hand. Nur ihr Papa hatte ihn außer ihr bisher berührt. Bei diesem Frühstück, das nur einige Wochen her war, sich aber anfühlte, wie aus einem anderen Leben.
Ehrfurchtsvoll drehte Aram Trixis Original in der Hand. „Und da ist ein Original in der Form von Diotima drin?“ Trixi nickte nur. „Ich glaube, ich habe auch von Diotima schon etwas gelesen. Die Normweltler haben viel Wissen aber sie benutzen nur sehr wenig davon und bringen ihren Kindern auch komische Dinge bei.“ „Das ist eine kulturelle Sache“ murmelte Trixi. Aram schaute sie verständnislos an. „Später.“ beantwortete Trixi den fragenden Blick. „Über Diotima will ich auch alles wissen“, forderte sie, dann lenkte sie die Aufmerksamkeit ihres besten Freundes wieder auf ihren Passanten. „Mach nochmal die Uhr auf.“ Trixi machte die Geste auf dem Stein, die Schrift erschien. „Die Internetgeräte funktionieren immer so.“ sagte Aram und wischte mit seinem Zeigefinger über die Schrift, als würde er ein Sandkorn von seiner Hose wischen. Als er von links nach rechts über die Schrift wischte, erschien daneben eine ganze Liste von Worten. Trixi musste sich extrem zurück halten, um Aram ihren Passanten nicht aus der Hand zu reißen. Aram las die Worte durch und wischte dann mit dem Finger von unten nach oben. Die Liste wurde nach oben geschoben, es gab noch viel mehr Einträge. Trixi war so gespannt, dass sie mit dem Kopf gegen Aram stieß, weil das Bild neben dem Passanten so klein war. Trixi machte auf der Schrift die gleiche Handbewegung, die sie zum Vergrößern ihres Steines machte und schon wurde die Schrift größer und schwebte nun vor ihnen. Es wurden nun auch Bilder angezeigt. Alles ließ sich dennoch auf die gleiche Weise hin und her schieben. Aram kam bei S wie „Suchen“ an, tippte darauf und ein Feld sowie eine Tastatur erschienen. Aram tippte „Die tiefe der Seele ist unergründlich“ ein. Unter dem Feld erschienen Einträge, auf die Aram wiederum klicken konnte. Einer der ersten lautete „Heraklit“. Er las die ersten zehn Einträge und schob die Liste zurück nach oben. Er tippte auf Heraklit. Das angezeigte Bild veränderte sich und neben einigen Abbildungen von Vasen und einer Weltkarte auf der Griechenland eingekreist war, stand eine Menge Text. „Vor 2579 Jahren ist er gestorben.“ murmelte Aram. „Wer?“. „Heraklit, das war einer von vielen Denkern einer Zeit, in der die Menschen der Normwelt sich schon einmal mit großer Erkenntnis und frei von Hass mit der Liebe und der Seele und den verschiedenen Arten zu lieben beschäftigten. Noch heute sind viele der Gedankengänge der griechischen Philosophen für die Menschen der Normwelt wichtig und richtig. Sie haben den Kontakt zu ihren Seelen nicht verloren, nur fast keiner von ihnen weiß das. Das glaube jedenfalls ich.“ Er bewegte das Bild, das der Passant erzeugte mit den Fingern hin und her. „Irgendwo konnte man sich auch Sachen vorlesen lassen.“ sagte er mehr zu sich selbst als zu Trixi. „Da!“ Er klickte auf das Symbol eines kleinen Lautsprechers und tatsächlich gab Trixis Passant ein leises Knacken und dann ein kurzes Piepen von sich und schon hörte man eine Frau einen Text vorlesen:
„Die Philosophen des Antiken Griechenlands waren nicht nur Vordenker ihrer Zeit, noch heute genießen ihre Ideen größte Beliebtheit. Der moderne Begriff der Liebe, wie er in den Kulturen des modernen Westeuropa verwendet wird, wurde damals bereits in drei Begriffe unterteilt, auf denen das Denkmodell der antiken Philosophen beruht. Unter Philia verstand man eine freundschaftliche Zuneigung, die aber genauso der universalen Liebe entsprang, wie die anderen Formen der Liebe. Bei Agape handelte es sich um eine Liebe, durch die man dem Gegenüber zwar mit großem Wohlwollen, Nachsicht und Empathie begegnet, das brennende Begehren jedoch, der Eros, der die erotische, sexuelle Liebe ausmacht, spielt in Agape keine Rolle. Es existierte auch die Überzeugung, dass die verschiedenen Zustände der Liebe Eros, Philia und Agape auf einander folgen, und dass für eine gesunde Entwicklung der Seele alle Formen der Liebe benötigt werden. Das beschreibt Platon in seinem Dialog Symposium in Form des Gleichnisses von Diotimas Leiter.“
Trixi wurde bei dem letzten Satz hellhörig, alles schien irgendwie mit Diotima zusammen zu hängen. Unvermittelt fiel ihr ihre Gogyo-Ki Aufgabe ein. „Schaffe Leben aus dem Stein, du sollst meine Blüte sein. Wasche mich von Schleier rein, meine Seele zu befreien. Das hängt doch alles irgendwie zusammen“ überlegte sie.
„Ich kann das so nicht“ maulte sie Aram an. Sie verkleinerte das Internetbild und schob es mit der Wisch-Geste wieder in den Passanten, den sie nicht hatte vergrößern müssen, um das Internet aufzurufen. „So funktioniert das aber in der Normwelt“ hielt Aram dagegen. „Und das ist schon eine große Verbesserung. Nicht lange her, da hätten wir in eine Bibliothek fahren müssen und dort das richtige Buch suchen und die richtige Stelle und dann hätte nur die Hälfte von dem drin gestanden, was wir jetzt in kürzester Zeit erfahren haben.“ „Erfahren!“ Verächtlich schüttelte Trixi den Kopf: „Das ist doch kein Erfahren. Man kann nichts anfassen, nichts entdecken.“ Trixi ließ den Kopf hängen. „Wie soll ich so jemals herausfinden, was mein zweiter Name bedeutet. Sich verändern ist ja irgendwie auch schön, aber es ist auch so anstrengend. Ich bin mir einfach oft nicht sicher, was richtig ist. Ich habe im Moment sogar manchmal das Gefühl, dass ich überhaupt nicht mehr genau weiß, wer ich bin.“ Bedrücktes Schweigen folgte.
Plötzlich erwachte Trixi aber wieder zum Leben. „Ich bin jedenfalls niemand der so leicht aufgibt,“ murmelte sie, ergänzte: „Trixiness!“ und öffnete wieder das Internet mit Hilfe ihres Passanten. Sie ging zur Suche und Tippte ein: „Erlebnis, Welt, Philosophie“. Sie tippte auf den ersten Eintrag und auf dem Bildschirm und in großen Buchstaben stellte dort jemand endlich die richtigen Fragen: „Wer bin ich? Was ist Liebe? Was ist die Seele? Was ist Glück? Was ist der Sinn?“ las Trixi laut vor. „Da muss ich hin.“ entschied sie. „Wo ist das?“.
Aram begann wieder die Seite umher zu schieben, klickte auf Bilder und Worte und wie in einem Buch öffnete sich Seite um Seite. Das Internet kam Trixi ein bisschen wie ein elektronisches Buch mit unendlich vielen Seiten vor. Manchmal merkte man allerdings nicht, dass man schon ein ganz anderes Buch las, das jemand ganz anderes geschrieben hatte. Trixi übte sich in Geduld während Aram nach einem Ort suchte, der zu dieser Seite des Internet gehörte. „Da.“ sagte er und klickte auf das Wort „Anfahrt“ und dann auf eine kleine Karte. Die Karte vergrößerte sich und zeigte einen Ausschnitt der Umgebung. „Okay,“ bemerkte Trixi, „aber wo sind wir?“. Aram machte mit der Verkleinerungsgeste, die auch bei Trixis Passanten funktionierte, die Karte kleiner, sodass man mehr von der Umgebung sah. Mit der Vergrößerungsgeste zoomte er auf das Wort ‚Hochkirch‘ und schob die Karte dann nach unten bis ein großer dunkelgrüner Fleck darauf zu sehen war auf dem ‚Czorneboh‘ stand. „Hier sind wir, in dem kleinen Waldstück.“ Er deutete auf den grünen Fleck. „Es geht zu dem Ort tatsächlich nur noch bergab und wir können es heute noch schaffen.“ Aram schaute Trixi herausfordernd an. „Wo fahren wir hin?“ fragte sie ihren neuen Reiseführer. „Auf das Lebensgut Pommritz in die Erlebniswelt Philosophie“. Trixi strahlte als sie das hörte. „Na also,“ dachte sie, „Erlebniswelt hört sich schon besser an.“ Aram ging zurück in die Funktionsauswahl und klickte ‚Wegweiser‘. In das erscheinende Feld schrieb er ‚Lebensgut Pommritz‘, automatisch verkleinerte sich das Bild und zog sich in den Passanten zurück. Stattdessen schwebte über dem Passanten nun ein kleiner blauer Pfeil, der den beiden Jugendlichen die Richtung wies.
Trixi sprang auf ihr Board. Sie wollte sich nicht wieder von Aram besiegen lassen. Die beiden sausten eine knappe Stunde bergab, mal schneller, mal langsamer. Während der Fahrt sprachen sie kein einziges Wort. Sie genossen es einfach gemeinsam zu fahren und die Freiheit zu spüren, die in Form des Fahrtwindes ihre Haare wild verwuschelte. Sie kamen an einem kleinen kaputten Bahnhofsgebäude vorbei und rollten langsam durch ein winziges Dorf. Hinter einer kleinen Pferdekoppel leitete sie eine Einfahrt auf einen alten Bauernhof, der offensichtlich umgebaut worden war. Es herrschte ein geschäftiges Treiben.
Gegenüber der Einfahrt waren in einem großen zweistöckigen Gebäude die Fenster geöffnet und der herrliche Duft frischen Essens erinnerte die Beiden daran, dass sie noch nichts zu Mittag gegessen hatten. Beide schauten sich an, lächelten und gingen dann langsam auf das Gebäude zu, vor dem viele Menschen saßen und standen und sich unterhielten. Etwas fehlte, aber Trixi war sich nicht sicher was.
Sie gingen durch den Eingang in eine Empfangshalle die uralt war, das sah selbst Trixi sofort. Immer dem Duft nach bogen sie links ab und betraten einen Raum, in dem mehrere lang gezogene Tische und zugehörige Bänke aufgestellt waren. Eine junge Frau sprach die Beiden an, da sie offensichtlich etwas orientierungslos waren. „Na ihr beiden, zu welcher Truppe gehört ihr denn?“ Trixi fing sich zuerst: „Wir wollen uns die Erlebniswelt Philosophie anschauen, sind aber von dem leckeren Duft irgendwie hier her gezaubert worden.“ Die junge Frau lächelte. „Ihr seit einfach zu zweit hier, um euch die Philosophie Erlebniswelt anzuschauen?“ Trixi und Aram schauten in ein sehr erstauntes Gesicht. Beide antworteten gleichzeitig „Ja“. „Wie alt seit ihr?“ fragte die Frau weiter. Trixi überlegte nicht eine Sekunde und sagte. „So alt, dass wir was über Diotimas Leiter erfahren wollen.“ Die junge Frau lachte schallend. Trixi und Aram hatten keine Ahnung warum. „Ihr habt meinen größten Respekt“ freute sie sich und während sie die Beiden in Richtung Küche begleitete, murmelte sie: „Irgendwas haben wir wohl richtig gemacht.“ Dann rief sie in die Küche „Xahar!“. Ein junger Mann in weißem Kittel erschien. „Die Beiden hier sind aus Hochkirch alleine her gekommen, um das Philosophie-Museum anzuschauen. Ich finde wir laden sie auf ein Essen ein, bevor sie sich ans Forschen machen können.“ „Aber selbstverständlich. Wenn ihr mit den Boards gekommen seid, dann braucht ihr Treibstoff für die Rückfahrt. Richtig coole Strecke um zu boarden, das mach ich auch mal.“ Die Beiden wurden fürstlich bewirtet und dann in die Erlebniswelt Philosophie begleitet. Als sie über den Hof zum Eingang gingen, war der viel leerer, statt dessen kamen die Stimmen nun aus den umliegenden Hofgebäuden, die allesamt umgebaut worden waren. Endlich wusste Trixi was ihr fehlte. Die für die Normwelt typische Hektik, die sonst allgegenwärtig die Athmosphäre in der Normwelt beeinflusste und so ansteckend war wie ein Virus, fehlte hier gänzlich. Sie nahm einen tiefen Seelenzug und es gelang ihr mühelos.
Trixi und Aram betraten eine der umgebauten Scheunen und gingen eine Treppe hinauf. Ein großer Raum, in dem viele kleine und größere Installationen standen, erwartete sie. Mit Bildern, Worten und Modellen wurden hier die Gedanken von Philosophen verschiedenster Zeiten erklärt. Trixi verweilte nur so lange an jedem Model, wie sie benötigte, um herauszufinden, dass es nicht um Diotima ging.
An einer Station, an der Platons Gedanken erklärt wurden, hielt sie an. Eine wunderschöne Frau stand an der untersten Sprosse einer Leiter. Man konnte die Sprossen der Leiter herausziehen. Es waren Schlüssel, mit denen man kleine Boxen aufschließen konnte. Trixi nahm die erste Sprosse und schloss die zugehörige Box auf. Darin war das Abbild eines schönen jungen Mannes und einer schönen jungen Frau, die sich auf einer Blumenwiese liegend in Begehren umschlangen. Trixi schloss die Box schnell wieder und lief knallrot an, als sie verstand, warum die junge Frau so gelacht hatte, als sie nach Diotimas Leiter gefragt hatte.
Aram schlenderte durch den Raum, er wollte Trixi etwas Privatsphäre geben, und der Traum, von dem Trixi ihm erzählt hatte, beschäftigte ihn mehr als er zugeben wollte.
Trixi war sich nicht ganz sicher, ob sie mehr über Diotimas Leiter erfahren wollte, aber sie wusste, dass der Gedanke, der dahinter steckte, grundsätzlich mit ihrem Namen zu tun hatte. Sie nahm die zweite Sprosse aus der Leiter und schloss eine weitere Box auf. Es war wieder die gleiche junge Frau zu sehen, diesmal trug sie Kleidung und saß in einem kleinen Park vor einer Leinwand. Sie fertigte ein Gemälde von einem Liebespaar an. Die Gesichter der kleinen Figuren zeigten erstaunlich viele Details. „Der Mensch, der diese Dinge gemacht hat, ist ein wahrer Künstler“ dachte Trixi und überwand sich, sich auch die erste Box noch einmal genauer anzuschauen. Die Frau hatte ein ähnlich glückliches Gesicht wie in der zweiten Box, aber die Frau in der zweiten Box wirkte entspannter, weniger getrieben, als würde ihre Seele gerade etwas finden. In der ersten Box schien es Trixi, als würde die Seele der Frau etwas suchen.
Aram blieb hinter einer Stellwand stehen, er kannte Platon und seinen Gedanken von Diotimas Leiter. Er hatte gelesen, was es darüber zu lesen gab, und er hatte dadurch viel über seine eigene Welt gelernt, aber leider nichts über seine Mutter. Dafür war er seinem Vater etwas näher gekommen. Er holte unter seinem T-Shirt ein kleines Amulett hervor. Er öffnete es und holte ein zusammengefaltetes Foto heraus. Er entfaltete es. Es zeigte seinen Vater Travis zusammen mit Diotima, die über die Schulter zurück schaute und Rosie winkte, die das Foto gemacht hatte. Es war genau die Szene, die Trixi ihm aus ihrem Traum beschrieben hatte. Er musste unbedingt wissen, ob sie tatsächlich ihn gesehen hatte oder ihn mit seinem Vater in jungen Jahren verwechselte. Es gab nur eine Möglichkeit das heraus zu finden. Trixi musste das Foto sehen und es ihm dann ehrlich sagen. Aber nicht jetzt. Jetzt musste er endlich mal für sie da sein.
Trixi löste sich derweil von dem bezaubernden Anblick in der zweiten Box und war sehr gespannt, was sie in der dritten Box erwartete. Sie hatte ein Gefühl zu jeder Box, aber was sie sagen wollten, war ihr noch nicht so ganz klar. In der dritten Box waren vier Menschen, die aus Glas gemacht waren und in deren Körpermitte jeweils eine winzige Glühbirne glimmte. Durch das Gemälde, das die Frau in der zweiten Box gemalt hatte hindurch, betrachteten die Menschen ein großes Feld voller kleiner Glühbirnen. Trixi stiegen die Tränen in die Augen, auch wenn sie nicht wusste warum. Das Bild ergriff sie, es war voller Erkenntnis. Sie wusste, dass sie Aram fragen musste, denn er konnte sowas viel besser als sie. Erklären und verstehen und wiedergeben und aufschreiben und so was.
In dem Moment hatte Aram sich bereits überwunden zu seiner Freundin zurück zu kehren. Sie sah ihn fragend an und er betrachtete kurz die drei offenen Boxen nacheinander. „Wow“ staunte er. „Das ist wirklich gut visualisiert.“ Trixi lächelte: „Was sehen wir denn da genau?“ Aram machte keine eitlen Umstände oder erklärte durch lästige Fragen. Er wusste, dass Trixi jetzt schnell Antworten brauchte. „Das ist Diotimas Leiter. Platon stellte damit den Weg der Seele zur Erkenntnis des Wahrhaft schönen und der Weltenseele dar.“ erklärte er. „Im ersten Schritt der Erwachsenen Seele hin zur Liebe ist das Verlangen ausschlaggebend. Die Liebe zu einem schönen Körper und auch die Lust daran selber begehrt zu werden.“ Er schloss die erste Kiste und die beiden entspannten sich etwas. „Als zweites erkennt der Liebende, dass die Liebe tiefer geht und sich nicht im bloßen Begehren erschöpft. Der Liebende erkennt, dass Liebe von allen Menschen empfunden wird. Die Seele versteht, dass sie mit vielen Seelen gemeinsam Freude und Schönheit teilen kann, und dass das nicht nur körperliches Begehren ist. Sondern Erkenntnis und Wahrheit. Hier zu sehen, in dem Versuch der jungen Frau die Liebe des Paares und damit auch gleichzeitig ihre eigene Liebe auf die Leinwand zu bannen.“ Aram schloss die zweite Kiste und ging weiter. „Und hier sehen wir eine Seele, die zur Blüte gekommen ist und Schönheit und Liebe in ihrer Gänze begreifen kann. Diese Seele nimmt nur noch den seelischen Kern seines Gegenüber wahr und hat eine Verbindung gefunden, zu dem was Platon als die Weltenseele bezeichnet hat. Man sieht das hier in Form dieses Seelenfeldes aus Glühbirnen. Für diese Seelen ist der Körper nicht mehr wichtig und sie blicken, indem sie etwas schönes oder wahrhaftiges anblicken, die Weltenseele selber an, aus der alle Seelen stammen und in die alle Seelen wieder zurückkehren.“
Trixi wusste nicht genau, was sie denken sollte. „Aber das ist doch schon die Erklärung von Seelenblüte“ sagte sie mit einem leeren Gesichtsausdruck. „Naja, dass sind die ältesten Gedanken, die die Menschen noch kennen, die überliefert wurden. Die Normweltler beschäftigen sich natürlich immer und auch immer weiter mit der Liebe und der Seele der Blüte, der Seele im Laufe des menschlichen Lebens. Ich habe dahinten noch etwas schönes dazu gefunden.“
Trixi ging hinter Aram hinterher. Der nahm ein Buch von einem der Modelle und reichte es Trixi. „Aurobindo“ las sie laut vor. „Das ist der Autor.“ bemerkte Aram. Trixi schlug das Buch an einer beliebigen Stelle auf und begann laut vorzulesen, während sie langsam durch den Raum ging: „Ebenso wird der essenziell Liebende nach Vollkommenheit suchen, weil Vollkommenheit die Natur der Essenz ist und weil er, je mehr er in die Vollkommenheit hineinwächst, den Geliebten desto inniger in seinem natürlichen Wesen geoffenbart fühlt. Er wird, wie das Aufblühen einer Blume, in die Vollkommenheit hineinwachsen, weil die Essenz und deren Freude in ihm sind. Während sich diese Freude in ihm ausbreitet, wachsen seine Seele, sein mentales und sein vitales Wesen ganz natürlich zu ihrer Essenz empor.“ Trixi schwieg kurz, hielt aber nicht an. Aram setzte sich. Er kannte das Buch natürlich. Trixi überlegte laut: „Dann ist die Essenz so was wie die Weltenseele und Seelenblüte, bedeutet einfach nur, zu dem Besten werden was man sein kann. Im Sinne des Begehrens und der Bedürfnisse der eigenen Seele und der Seelen der anderen.“ Sie lächelte, denn der enorme Druck, der seit ihrer Gogyo-Ki auf ihr lastet, fiel von ihr ab. „Schon, aber wichtig ist im Sinne eines gesunden und seelisch bereichernden Lebens, nicht im Sinne purer Leistungsfähigkeit oder um fremden Ansprüchen zu genügen.“ ergänzte Aram.
Trixi las weiter: „Mittels unserer Anlagen kann die Essenz uns anrühren, unseren Geist erwecken und befreien. Wenn man diese tiefe Daseins-Freude erlangen will, muss man die mentale Empfänglichkeit dafür verfeinern, geistig und universal machen und alles entfernen, was trübe ist und beschränkt. Denn wenn wir ganz nahe an die Seins-Seeligkeit herankommen oder in sie eingehen, geschieht das durch einen erwachten inneren Sinn für transzendente und universale Schönheit.“ Trixi überlegte kurz. Wenn ich mich mit dem beschäftige, was ich liebe, dann wachse ich innerlich und äußerlich. Dann erblüht meine Seele.“ „Und wenn du es schaffst, so zu sein, dann kannst du andere damit inspirieren und vielleicht dazu bringen ihre eigene Seele zu entdecken.“
Trixi sah Aram nicht während er das sagte. Sie kehrte gerade von ihrer Lesetour zu ihm zurück. Als sie an einem Aufsteller vorbei vor ihn trat, hielt er eine aufgefaltete Fotografie unter sein Gesicht. Es war genau die Szene aus Trixis Traum bei der Gogyo-Ki. Aram wartete kurz ab und flüsterte dann: „Das sind Diotima und mein Papa. Hast du die gesehen oder wirklich mich?“
Trixi im Morgenland von Integralis e.V. ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz
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