Seelen können sich an verschiedensten Orten zu Hause fühlen: In einem anderen Geschlecht, einem bestimmten Land, einer Kultur oder einem anderen Menschen. Dabei kommt es weniger auf die Erfüllung als mehr auf die stille Gewissheit an, die uns durch den Alltag trägt.
von Linda Lorenz
Eine jüdische Seele zu haben ist wie angekommen zu sein nach einer langen Reise.
Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal nach Israel geflogen bin, stieg ich aus dem Flugzeug aus und roch diesen Duft, der mir später immer wieder begegnen sollte, der Duft nach warmen Sand. Ich stieg also aus dem Flugzeug aus, gelandet in einem unbekannten Land, auf einem anderen Kontinenten. Und ohne je die erste Stadt gesehen zu haben, ohne mit dem ersten Menschen gesprochen zu haben fühlte ich mich zuhause. Ich wusste: Endlich bin ich da.
Auf den richtigen Zeitpunkt warten
Die Jahre zuvor war ich viel unterwegs, nie hielt es mich lange an einem Ort, immer war ich wie getrieben von etwas, das ich noch nicht kannte. Doch mit dem ersten Fuß auf dem Boden Israels, dem lauen Wind um die Nase und dem seltsam vertrauten Geruch wusste ich, ich bin endlich angekommen. Meine Seele war angekommen. Geprägt von unzähligen Reinkarnationen und Leben war es doch stets meine jüdische Seele, die nun endlich zuhause war.
Jüdisch ist, wer eine jüdische Mutter hat – so die offizielle Definition. Menschliche Seelen, die sich jüdisch fühlen aber keine jüdischen Verwandten haben, werden aus der Definition ausgeschlossen. Ein Phänomen, welches mich seit meiner Kindheit begleitet. Ich war damals schon fasziniert von jüdischen Menschen und den Bildern von Israel im Fernsehen und fragte mich, wie es dort sei, wie man sich dort fühlt und wie warm es dort ist. Ich sah mich dort bereits, konnte dieses Bild aber noch nicht einordnen. Bei Fotos von israelischen Frauen war ich berührt von ihren dunklen Locken und der schönen Aura. Ich wusste nicht, warum ich mich dort hin gezogen fühlte, ich war ein Kind. Lange blieb diese Faszination im Verborgenen, und schlummerte tief in mir. Meine Seele blieb ganz ruhig und wartete geduldig auf den richtigen Augenblick. Als ich schließlich mit Mitte Zwanzig einen Preis der Hochschule gewann und mir am Telefon gesagt wurde ich bekäme ein Preis-Geld, war es Zeit für meine Seele ihre lang gehütete Sehnsucht zu entfalten. Israel war das erste was mir einschoss noch während des Telefonats, ohne je vorher intensiv darüber nachgedacht zu haben war es plötzlich da, ganz klar. Es war einfach der richtige Zeitpunkt.
Als ich mich also tiefer in das Land hineinwagte, fühlte ich mich unmittelbar zuhause in der Sprache, der Kultur, den jüdischen Traditionen und auf eine Weise verbunden mit den Menschen als wären sie meine Familie. Als ich später begann Hebräisch zu lernen war mir, als hätte ich diese Sprache schon einmal gekonnt. Das Seminar fiel mir leicht, alles war so vertraut.
In dieser seelischen Vertrautheit liegt eine unglaubliche Geborgenheit. Plötzlich bekam mein Leben einen Fokus, etwas wofür es sich zu lohnen schien dieses Leben zu leben. Meine Seele hatte plötzlich einen Ort, an dem sie ihren Platz gefunden hat. Sie war nicht mehr verloren sondern war, sogar in Zeiten, in denen ich nicht in Israel war, in der Sehnsucht zuhause. Eine Sehnsucht, die nicht quält sondern die warm ist und von der Gewissheit geprägt, dass mir dieses Land nah ist, auch wenn ich physisch nicht anwesend bin.
Die leisen Töne der Seele
Was ist das also was der Seele ein Zuhause gib? In der Astrologie nennt man dies „Seelenort“, ein Ort an dem man sich wohlfühlt oder schon einmal gelebt hat, verknüpft mit positiven Erfahrungen. Es sind Orte, zu denen man immer wieder zurückkehrt, weil man sich dort selbst am nächsten kommt. Doch es gibt auch andere Menschen, zu denen sich die Seele hingezogen fühlt: Zwillingsseelen oder Dualseelen genannt. Auch kann es sein, dass die Seele sich im falschen Körper fühlt, nicht dem biologische Geschlecht entsprechend. Um diesen Seelenruf wahrzunehmen braucht man ein feines Gespür. Denn sie schreit nicht laut. Man muss weitestgehend mit sich selbst verbunden sein, um diese Stimme zu hören und wenn es dann soweit ist, und die Seele ihren Platz gefunden hat, ist alles plötzlich ganz klar. Man weiß es einfach, ohne es hinterfragen oder kognitiv erklären zu müssen. Dabei kommt es nicht auf die Erfüllung an. Mehr kommt es darauf an, dass einem dieser Platz der Seele bewusst ist und man immer wieder dahin zurückkehren kann. Eine stille Gewissheit, die sich als erdende Ressource im Alltag zeigt. Etwas, was einen durch das Leben trägt und Halt gibt in verlorenen Zeiten. Es lohnt sich also, in sich zu gehen, ganz still zu werden und der Seele zu lauschen, was sie zu sagen hat. Nicht auf Knopfdruck oder mit allerlei Erwartungen, jedoch mit einem liebevollen Gespür für sich selbst, einer Selbstliebe, die diese wunderschöne Ressource zum Ausdruck bringt. (llo)
Shalom
Ich erkenne mich in Ihrer Geschichte.
Yom tov,
Kathrin